Ausschussvorsitzender Mesaros bat Herrn Schulz über die Situation zu berichten.

 

Herr Schulz wies zunächst darauf hin, dass sich die Situation gerade hochaktuell verändert habe.

 

Nach bisheriger Rechtslage sei es so, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge die notwendigen Hilfe zur Erziehung und die Leistungen zum Lebensunterhalt sowie Krankenhilfe von den Jugendämtern erhielten, in deren Bereich sie erstmalig registriert würden. So hätten z.B. die Städte Aachen, Köln und Dortmund hauptsächlich den personellen Aufwand für diese Hilfen zu tragen. Hierzu belegten sie Heime im ganzen Land, weshalb seit geraumer Zeit auch vier unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Geilenkirchen lebten, nämlich im Jugendhaus Franz von Sales.

 

Nach dem inzwischen verabschiedeten Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher würden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bereits ab dem 01.11.2015 – statt wie vom Gesetzgeber ursprünglich geplant erst zum 01.01.2016 – nach einem festgelegten Schlüssel auf alle Jugendämter verteilt und erhielten dort die notwendigen Hilfen. Angesichts der aktuellen Einreisezahlen habe die Stadt Geilenkirchen im Laufe eines Jahres mit der Zuweisung von 6-9 minderjährigen Flüchtlingen zu rechnen. Nach den bisherigen Vorgaben müssten die Jugendlichen, selbst wenn sie zusammen mit volljährigen Verwandten wie Geschwistern, Onkeln oder Tanten einreisten, zunächst in einer stationären Einrichtung untergebracht werden, in der auch ein sogenannten Clearing-Verfahren durchgeführt würde. Hier solle dann festgestellt werden, welche besonderen Förderbedarfe der Jugendliche zum Beispiel unter Berücksichtigung eventueller Traumatisierungen hat und ob ein Zusammenleben mit den – evtl. angeblichen – Verwandten vertretbar sei.

 

Dann sei jedoch für das Jugendamt alles sehr plötzlich gekommen. In der gerade erst durch den Kreis Heinsberg in Betrieb genommenen Erstaufnahmeeinrichtung in Niederheid seien in der vorletzten Woche aufgrund eines Versehens auch 10 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eingetroffen und erstmalig registriert worden. Für diese Menschen sei die Stadt nun nach der bisherigen Rechtslage wegen des in Geilenkirchen liegenden tatsächlichen Aufenthalts zuständig. Bei der Organisation der Hilfen sei man dann mit der Realität konfrontiert worden. Angesichts der bundesweit extrem hohen Zahl der zu versorgenden Minderjährigen gebe es nahezu keine freien Plätze in geeigneten Einrichtungen mehr. Das Landesjugendamt Rheinland, das auch für die Heimaufsicht zuständig sei, beteilige sich zurzeit im engen Schulterschluss mit den örtlichen Jugendämtern an der Entwicklung alternativer Konzepte zur vertretbaren Erziehung und Versorgung der Jugendlichen.

 

Das Jugendamt habe nun nach einer kurzen, aber intensiven Kennenlern- und Klärungsphase in enger Zusammenarbeit mit dem Jugendhilfeträger KraCh eine Wohngruppe für die männlichen Jugendlichen gebildet. Die Jugendlichen lebten seit vergangenen Freitag in zwei angemieteten Wohnungen in Lindern. Sie versorgten sich dort selbst und würden von den Mitarbeitern des Jugendhilfeträgers KraCh im Rahmen einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung versorgt. In diesem Rahmen fände auch das obligatorische Clearingverfahren statt. Für den Betrieb dieser Gruppe wurden jährliche Kosten von 400.000 € kalkuliert, die jedoch vom Land erstattet würden.

 

Das Jugendamt habe weiter beim Familiengericht für alle Jugendlichen die Einrichtung einer Vormundschaft beantragt, im Hinblick auf das Asylverfahren rege man jeweils die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft an. Heute seien bereits die ersten Entscheidungen eingegangen.

 

Um auch künftige Bedarfe decken zu können, gebe es zurzeit intensive Abstimmungsgespräche zwischen den Jugendämtern im Kreis Heinsberg, den Trägern und Anbietern der Jugendhilfe und der Heimaufsicht des Landesjugendamtes zur Planung und Einrichtung weiterer Betreuungsmöglichkeiten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. So plane der Träger Coroga aktuell die Einrichtung von Wohngruppen in der Geilenkirchener Innenstadt. Das Jugendhaus Franz von Sales wolle zu den vorhandenen vier Plätzen noch zwei weitere Plätze in einem noch anzumietenden Appartement anbieten.

 

Herr Schulz betonte die Hoffnung, dass alle Jugendämter und freien Träger gleichermaßen kreativ mit den aktuellen Herausforderungen umgingen und nicht einfach die wenigen noch vorhandenen freien Heimplätze mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen belegten. Bei allem was jetzt zu tun sei müsse auch der normale Bedarf an Hilfen zur Erziehung im Blick gehalten werden.

 

Stadtverordneter Schumacher erkundigte sich nach der Situation, wenn anders als im deutschen Recht im  Heimatland eine Person bereits mit 16 oder erst mit 21 Jahren volljährig wird.  Herr Schulz antwortete, dass grundsätzlich zunächst das deutsche Jugendhilferecht gelte und Hilfe zur Erziehung bis 18 Jahren und darüber hinaus Hilfe für junge Volljährige geleistet würde. Anders sei dies ggf. im Hinblick auf die Vormundschaft. Ausschussmitglied Waßmuth ergänzte, dass dies beim Familiengericht derzeit noch geprüft werde, dies könnte im Ergebnis sogar von Herkunftsland zu Herkunftsland verschieden sein.

 

Auf Nachfrage von Ausschussmitglied Grein erläuterte Herr Schulz, dass die Jugendlichen zwischen 15-17 Jahren alt seien und aus dem Iran, Irak, Afghanistan und Syrien stammten. Weiter erkundigte sich Frau Grein danach, wie die Verständigung funktioniere. Hierzu konnte Frau Gerhards berichten, dass aus dem Bundesprogramm Toleranz fördern – Kompetenz stärken noch Kontakte zu vielen Personen mit den notwendigen Sprachkenntnissen bestehen, die sich hier engagierten. Der Träger setze eine Person mit arabischen Sprachkenntnissen kein, ein Jugendlicher aus der Gruppe übersetze dies wenn benötigt in Farsi und ein weiterer Jugendlicher spreche etwas Englisch.

 

Ausschussmitglied Semmo wollte wissen, wie die Beschulung der Jugendlichen aussähe. Frau Gerhards wies darauf hin, dass die Jugendlichen erst seit Freitag nicht mehr in der Erstaufnahmeeinrichtung seien. Zunächst seien noch viele Formalitäten  zu klären. Aber auch die Jugendlichen selbst wollten schnell die deutsche Sprache lernen. Es sei zu klären, ab wann eine Schulanmeldung möglich sei; bis dahin erfolge Sprachunterricht durch den Träger. Ausschussvorsitzender Mesaros ergänzte, dass es aus seiner beruflichen Erfahrung gut geklappt habe, Jugendliche in der Integrationsklasse des Berufskollegs unterzubringen.

 

Ausschussmitglied Barwinski wies darauf hin, dass er aus Gesprächen mit anderen Jugendämtern wisse, dass sich die Zahlenbasis ständig nach oben korrigiere und daher die Zahl von 6-9 angenommenen Zuweisungen wahrscheinlich steigen werde. Herr Schulz erklärte, dass dies auch der Verwaltung klar sei und bei höheren Gesamtzahlen mehr Zuweisungen zu erwarten seien, jedoch würden auch die zehn jetzt entstandenen Fälle auf die Aufnahmequote angerechnet.