Betreff
Festsetzung und Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen "Joseph-von-Görres-Str.", "Wilhelm-Raabe-Str." und "Thomas-Mann-Straße" im Bebauungsplangebiet Nr. 99
Vorlage
116/2014
Aktenzeichen
60 42 10
Art
Vorlage

Beschlussvorschlag:

 

1.        Zusammenfassungsentscheidung

 

Die Erschließungsanlagen „Joseph-von-Görres-Straße“, „Wilhelm-Raabe-Straße“ und „Thomas-Mann-Straße“ im Bebauungsplangebiet Nr. 99 bilden eine Erschließungs­einheit und werden hiermit gemäß § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB in der zz. geltenden Fassung in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 2 der Satzung der Stadt Geilenkirchen über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 03.12.1975 in der zz. geltenden Fassung zur gemeinsamen Aufwandsermittlung zusammengefasst.

 

2.        Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen

 

      Für die als niveaugleiche Verkehrsflächen hergestellten Erschließungsanlagen „Wilhelm-Raabe-Straße“ und „Thomas-Mann-Straße“ entfällt auf­grund der Eigenart der Ausbau­form das in § 8 Abs. 1 Buchst. b der Satzung der Stadt Geilenkirchen über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 03.12.1975 in der zz. geltenden Fassung geforderte Herstellungsmerkmal beidseitiger, gegen die Fahr­bahn abgegrenzter Gehwege.

 

Satzung

der Stadt Geilenkirchen

über die Festlegung abweichender Herstellungsmerkmale

von Erschließungsanlagen

 

vom ……………….

 

Aufgrund des § 132 des Baugesetzbuches (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juni 2013 BGBl. I S. 1548), in Verbindung mit §§ 7 und 41 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe f der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW) in der Fassung vom 14. Juli 1994 (GV. NW. S. 666), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 2013 (GV. NRW. S. 878) hat der Rat der Stadt in seiner Sitzung am 10.09.2014 folgende Satzung beschlossen:

§ 1

 

      Für die als niveaugleiche Verkehrsflächen hergestellten Erschließungs­an­lagen „Wilhelm-Raabe-Straße“ und „Thomas-Mann-Straße“ im Bebauungsplangebiet Nr. 99 entfällt aufgrund der Eigen­art der Ausbauform das in § 8 Abs. 1 Buchst. b der Satzung der Stadt Geilen­kirchen über die Erhebung von Erschließungs­beiträgen vom 03.12.1975 in der zz. gel­ten­den Fassung geforderte Herstellungsmerkmal beid­seitiger, gegen die Fahrbahn ab­ge­grenzter Gehwege.

 

§ 2

 

      Die Satzung tritt rückwirkend zum 01.01.2013 in Kraft.

 

3.   Widmung der Verkehrsanlagen

Die Joseph-von-Görres-Straße (Grundstück Gemarkung Geilenkirchen, Flur 18, Flurstück 321), die Wilhelm-Raabe-Straße (Grundstück Gemarkung Geilenkirchen, Flur 18, Flurstück 316) und die Thomas-Mann-Straße (Grundstück Gemarkung Geilenkirchen, Flur 18, Flurstück 327) werden gemäß § 6 Abs. 1 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nord­rhein-Westfalen (StrWG NW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1995 (GV. NW. S. 1028, 1996 S. 81, 141, 216, 355, 2007 S. 327), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (GV. NRW. S. 731) für den öffent­lichen Verkehr gewidmet. Sie erhalten jeweils die Eigenschaft einer Gemeindestraße nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 StrWG NW. Träger der Straßenbaulast ist gemäß § 47 StrWG NW die Stadt Geilen­kirchen.

4.   Beschluss über die endgültige Herstellung

 

Gemäß §§ 130, 132 des Baugesetzbuches (BauGB) in der zz. geltenden Fassung, in Verbindung mit § 8 der Satzung der Stadt Geilenkirchen über die Erhebung von Erschlie­ßungsbeiträgen vom 03.12.1975 in der zz. geltenden Fassung, dem Beschluss des Rates über die Zusammenfassung der Erschließungsanlagen „Joseph-von-Görres-Straße“, „Wilhelm-Raabe-Straße“ und „Thomas-Mann-Straße“ zur gemeinsamen Aufwandser­mittlung und dem Beschluss des Rates über die ab­weichende Herstellung von Er­schließungs­­anlagen vom (Datum der Unterzeichnung der Bekanntmachungsanordnung) wird festgestellt, dass die Erschließungsanlagen end­gül­tig hergestellt sind.

Zur Deckung des anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung der Erschließungseinheit, bestehend aus den Erschließungsanlagen „Joseph-von-Görres-Straße“, „Wilhelm-Raabe-Straße“ und „Thomas-Mann-Straße“ erhebt die Stadt Geilenkirchen Erschließungsbeiträge.

Der nach Abzug des Anteiles der Stadt verbleibende beitragsfähige Aufwand wird gemäß § 6 der Erschließungsbeitragssatzung der Stadt auf die erschlossenen Grundstücke verteilt und anteilmäßig von den Grundstücks­eigen­tümern erhoben.


Sachverhalt:

Die Erschließungsanlagen „Joseph-von-Görres-Str.“, „Wilhelm-Raabe-Str.“ und „Thomas-Mann-Str.“ im Bebauungsplangebiet Nr. 99 wurden in den Jahren 2013/2014 hergestellt. Die Joseph-von-Görres-Straße wurde in konventioneller Bauweise, d. h. mit Fahrbahn in Asphalt, beidseitigen Straßenentwässerungsanlagen und abgesetzten Gehwegen ausgebaut.

Die Wilhelm-Raabe-Straße und die Thomas-Mann-Straße wurden niveaugleich in Pflaster hergestellt. Zur Straßenentwässerung erhielten beide Verkehrsanlagen eine Mittelrinne aus Formsteinen.

Ebenfalls wurden in allen Verkehrsanlagen moderne Straßenbeleuchtungsanlagen installiert.

 

Bei den erfolgten Baumaßnahmen handelt es sich um die erstmalige endgültige Herstellung von Erschließungsanlagen, für die gemäß § 127 des Baugesetzbuches (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414) in Verbindung mit der Satzung der Stadt Geilenkirchen über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 03.12.1975 in der zz. geltenden Fassung von den Eigentümern der durch die Erschließungsanlagen erschlossenen Grundstücke zur Deckung des anderweitig nicht gedeckten Aufwandes Erschließungsbeiträge zu erheben sind. Die Stadt trägt 10 % des entstandenen beitragsfähigen Erschließungsaufwandes.

 

Grundsätzlich ist der beitragsfähige Erschließungsaufwand für jede einzelne Erschließungs­anlage separat zu ermitteln und abzurechnen.

Nach § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB kann der Erschließungsaufwand jedoch für mehrere Anlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, insgesamt ermittelt und abgerechnet werden.

Voraussetzung für eine solche Ermessensentscheidung ist, dass die Erschließungsanlagen derart voneinander abhängen, dass die Grundstücke erst durch die Gesamtheit dieser Anlagen erschlossen werden. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht u. a. in einem Urteil vom 03.11.1972 ausgeführt, dass mehrere einzelne Erschließungsanlagen nur dann eine Erschließungseinheit bilden, wenn sie ein System darstellten, das gekennzeichnet sei durch einen Funktionszusammenhang zwischen den einzelnen Anlage, der sie, mehr als für das Verhältnis von Erschließungsanlagen üblicherweise zutrifft, zueinander in Beziehung setzt und insofern voneinander abhängig macht. Mit anderen Worten setzt eine Erschließungseinheit die funktionelle Abhängigkeit selbstständiger Erschließungsanlagen voneinander voraus. Als Beispiel für eine solche Abhängigkeit werden hier die klassische selbständige Sackgasse und die Ringstraße genannt, denn diese Anlage münden regelmäßig in eine Hauptstraße ein und sind insofern von dieser abhängig, weil die Anlieger der Sackgasse oder Ringstraße diese Anlage beim Befahren/Verlassen ihrer Sachgasse oder Ringstraße nutzen müssen.

Weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für die Abrechnung als Erschließungseinheit ist, dass die gemeinsame Abrechnung von Haupt- und Nebenstraßen im Vergleich zu einer Einzelabrechnung der Hauptstraße nicht zu einer Mehrbelastung der durch die Hauptstraße erschlossenen Grundstücke führt.

Nach der bisherigen Rechtsprechung stellte die Abrechnung als Erschließungseinheit die absolute Ausnahme vom Prinzip der Einzelabrechnung dar. Im Ergebnis war die Anwendbarkeit damit lediglich auf die o. g. Fälle (selbstständige Sackgasse, selbstständige Ringstraße) beschränkt.

Da die Bildung der Erschließungseinheit zudem im Ermessen der Stadt lag und die Abrechnung wegen der strengen Rechtsprechung sehr risikobehaftet war, wurde davon in Geilenkirchen in den letzten Jahren kein Gebrauch gemacht.

 

Durch Urteil vom 30.01.2013 – BVerwG 9 C 1.12 hat der 9. Senat des Bundesverwaltungs­gerichts (BVerwG) unter Zugrundelegung der Gesichtspunkte der „Vorteilslage“ und der „Vorteilsgerechtigkeit“ seine fast 20 Jahre bestehende Rechtsprechung zu § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB geändert.

So wurde u. a. entschieden, dass eine Erschließungseinheit auch dann vorliegt, wenn von derselben Hauptstraße nicht nur eine, sondern mehrere funktional von ihr abhängige Nebenstraßen abzweigen. Weiterhin wurde entschieden, dass unabhängig von einem darauf gerichteten Willen der Gemeinde eine Pflicht zur gemeinsamen Abrechnung des beitragsfähigen Aufwandes für die eine Erschließungseinheit bildenden Anlagen besteht, wenn im Zeitpunkt unmittelbar vor der endgültigen Herstellung der ersten Anlage absehbar ist, dass bei getrennter Abrechnung der sich für die Hauptstraße ergebende Beitragssatz voraussichtlich um mehr als ein Drittel höher sein wird als die jeweils für die Nebenstraße geltenden Beitragssätze.

Fehlt es an einer Zusammenfassungsentscheidung, ist im Streitfall die auf den maßgeblichen Zeitpunkt unmittelbar vor endgültiger Herstellung der ersten Anlage bezogene Prognose der Beitragsbelastung der Anlieger der Hauptstraße im Vergleich zu den Anliegern der Nebenstraße nachträglich vorzunehmen.

 

Durch dieses Urteil werden die in der Vergangenheit sehr eng gefassten Regelungen zur Erschließungseinheit wesentlich erweitert. Beim Vorliegen der entsprechenden Voraus­setzungen zwingt es unter dem Gesichtspunkt der Beitragsgerechtigkeit sogar zur Bildung einer Erschließungseinheit.

 

Im Ergebnis führt dieses Urteil bei der Betrachtung der o. g. im Bebauungsplangebiet Nr. 99 liegenden Erschließungsanlagen zu folgender rechtlicher Beurteilung:

 

  1. Die Joseph-von-Görres-Straße bildet von der Einmündung der Quimperléstraße eine selbstständige Erschließungsanlage. Ebenso sind die Wilhelm-Raabe-Straße und die Thomas-Mann-Straße als Ringstraßen, die in die Joseph-von-Görres-Straße einmünden, selbstständige Erschließungsanlagen. Der Verkehr aus beiden Straßen muss über die Joseph-von-Görres-Straße in Richtung Quimperléstraße abfließen, da wegen erfolgter Abpollerungen eine andere Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz der Stadt nicht besteht. Insoweit ist sowohl die Wilhelm-Raabe-Straße als auch die Thomas-Mann-Straße auf die Joseph-von-Görres-Straße angewiesen und es besteht eine funktionelle Abhängigkeit mit der Folge, dass das Vorliegen einer Erschließungseinheit zu bejahen ist. Die Joseph-von-Görres-Straße ist hier als Hauptstraße und die Wilhelm-Raabe-Straße und die Thomas-Mann-Straße sind als Nebenstraßen einzustufen.

 

  1. Eine Vergleich der Beitragssätze hat ergeben, dass die Anlieger der Hauptstraße (Joseph-von-Görres-Straße) bei einer Einzelabrechnung der Anlagen einen Beitrags­satz von 42,45 €/m² anrechenbarer Fläche zahlen müssten, während die Anlieger der Wilhelm-Raabe-Straße lediglich 15,62 €/m² und die Anlieger der Thomas-Mann-Straße lediglich 14,57 €/m² anrechenbarer Fläche zu tragen hätten. Der Beitragssatz für die Hauptstraße übersteigt den Beitragssatz für die Nebenstraßen somit um mehr als ein Drittel.

 

Insgesamt liegen die Voraussetzungen zur Zusammenfassung der Erschließungs­anlagen nach dem o. g. Urteil vor, mit der Folge, dass die Verwaltung bei der Entscheidung über die Abrechnung der Anlagen kein Ermessen hat.

Die Anlagen sind zur gemeinsamen Aufwandsermittlung zusammenzufassen.

 

Zusammenstellung des Aufwandes und Berechnung des Beitragssatzes

 

Maß-                                        beitragsfähiger                  Anteil der      umlagefähiger

nahme                                                Erschließungsaufwand   Anlieger        Aufwand____

 

Herstellung der Verkehrs-

Flächen, der Entwässerungs-

anlagen, der Straßenbe-               352.899,72 €                        90%                317.609,75 €

leuchtung

______________________________________________________________________

 

Der nach Abzug des Anteils der Stadt verbleibende umlagefähige Aufwand ist auf die durch die Erschließungsanlagen erschlossenen Grundstücke nach der Grundstücksfläche zu verteilen und anteilmäßig von den Grundstückseigentümern zu erheben. Die Flächen werden hierbei entsprechend ihrer baulichen Ausnutzbarkeit bewertet. Zweigeschossig bebaubare Grundstücke werden mit 125% ihrer Fläche in die Berechnung einbezogen.

Die Summe der bewerteten Grundstücksflächen ist die Abrechnungsfläche. Sie beträgt im vorliegenden Fall 24.675 m². Es ergibt sich somit ein Beitragssatz von

 

            317.609,75 € : 24.675 m² = 12,87 € pro m² Abrechnungsfläche *

 

Zur Abrechnung der Erschließungseinheit, bestehend aus der Erschließungs­anlage  „Joseph-von-Görres-Straße“, der Erschließungsanlage „Wilhelm-Raabe-Straße und der Erschließungsanlage „Thomas-Mann-Straße im Bebauungs­plangebiet Nr. 99 erforderliche Beschlüsse

 

1.  Zusammenfassungsentscheidung

 

Die Bildung der Erschließungseinheit und die Zusammenfassung der Erschließungsanlagen zur gemeinsamen Aufwandsermittlung muss als Ratsbeschluss ergehen.

 

2.  Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen im Bebau­ungs­plangebiet Nr. 99

 

Voraussetzung zur Entstehung der Erschließungsbeitragspflicht ist zunächst, dass die ausgebauten Erschließungsanlagen endgültig hergestellt sind, d. h. dass sie die in § 8 der Erschließungsbeitragssatzung der Stadt festgeschrieben Merkmale der endgültigen Herstellung aufweisen.

Aufgrund der niveaugleichen Herstellung der Verkehrsflächen hat sowohl die Erschließungsanlage „Wilhelm-Raabe-Straße“ als auch die Erschließungsanlage „Thomas-Mann-Straße“ keine beidseitigen, gegen die Fahrbahn abgegrenzten Gehweganlagen. Die Zulässigkeit dieser abweichenden Herstellung ist gemäß § 8 Abs. 3 der Erschließungs­beitragssatzung der Stadt durch Ratsbeschluss festzulegen. Dieser Beschluss ist dann als Satzung mit Rückwirkung zum 01.01.2013 bekannt zu machen, da die Satzung in Kraft sein muss bevor die Ausbaumaßnahme beendet/abgeschlossen ist.

 

3.  Widmung der Verkehrsanlagen

 

Weitere rechtliche Voraussetzung zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen ist die Widmung der Verkehrsanlagen, da erst durch die Widmung die Öffentlichkeit der Anlagen hergestellt wird. Zudem entsteht in der Regel erst durch die Widmung die Beitragspflicht.

 

4.  Beschluss über die endgültige Herstellung

 

In Verbindung mit den vorgenannten Beschlüssen kann die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen beschlossen werden.

 

* Die Abrechnung ist durch das Rechnungsprüfungsamt der Stadt noch nicht abschließend geprüft. Daher  können sich noch geringfügige Änderungen ergeben.