Betreff
Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 99 (Geilenkirchen-Nord II)
- Errichtung eines Einfamilienwohnhauses, Thomas-Mann-Straße
Vorlage
294/2015
Art
Vorlage

Beschlussvorschlag:

 

Die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 99 der Stadt Geilenkirchen hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche wird antragsgemäß erteilt.


Sachverhalt:

 

 

Die Antragsteller beabsichtigen, in der Thomas-Mann-Straße ein Einfamilienwohnhaus mit einem Vollgeschoss und ausgebautem Dachgeschoss zu errichten. Aufgrund einer fortschreitenden Gehbehinderung des Bauherrn wäre für die Antragsteller vorteilhaft, wenn ein zusätzlicher Schlafraum im Erdgeschoss eingerichtet wird, da ansonsten kostenintensive Vorrichtungen (z.B. Aufzug/Treppenlift) eingeplant werden müssten. Aus diesem Grund ist die Grundfläche des Wohnhauses etwas großzügiger geplant. Langfristig ist geplant, dass die untere Etage von dem Bauherrn und seiner Frau, die obere von der gemeinsamen Tochter bewohnt wird. Zur Prüfung der Zulässigkeit wurde ein Bauvorbescheid beantragt.

 

Das Baugrundstück befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 99 der Stadt Geilenkirchen. Das Vorhaben überschreitet die überbaubare Grundstücksfläche, die durch Baugrenze festgesetzt ist, von der Thomas-Mann-Straße aus betrachtet um 0,5 m nach vorne und hinten (Richtung Quimperléstraße/Nachbargrundstück) und um 3,52 m zur Seite (Richtung Gerhardt-Hauptmann-Straße), vgl. beigefügten Lageplan und den Auszug aus dem Bebauungsplan.

 

Um eine Überschreitung der Baugrenzen zu ermöglichen, wäre die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erforderlich.

 

Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

 

Die Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt, insbesondere sind die Grundzüge der Planung nicht berührt und die städtebauliche Vertretbarkeit ist gegeben.

 

Befreiungen dürfen nicht in einer Weise von den Festsetzungen abweichen, dass dadurch die Grundzüge der Planung berührt würden. Es scheiden im allgemeinen Abweichungen von Festsetzungen aus, die die Grundkonzeption des Bebauungsplans berühren, also vor allem den Gebietscharakter nach der Art der baulichen Nutzung und – in bestimmter Weise – auch nach dem Maß der baulichen Nutzung sowie den Festsetzungen zur Baudichte (Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche). Befreiungen können aus diesen Gründen nur in Betracht kommen, wenn durch sie von Festsetzungen abgewichen werden soll, die das jeweilige Planungskonzept nicht tragen, oder wenn die Abweichung von Festsetzungen, die für die Grundzüge der Planung maßgeblich sind, nicht ins Gewicht fallen, d.h. ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft.

 

Aus den Unterlagen zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 99 ist erkennbar, dass ein ruhiges und wenig verdichtetes Wohngebiet geschaffen werden sollte. Dieser Grundzug der Planung wird umgesetzt, indem durch die Festsetzung einer GRZ von 0,35 (anstatt 0,4 wie im WA möglich) und die Festsetzung der offenen Bauweise eine aufgelockerte Bebauung mit großen Gärten ermöglicht wird.

 

Die GRZ wird durch das Bauvorhaben nicht überschritten. Die Fläche des Gartens wird nur unwesentlich verkleinert.

 

Die hier geplante Überschreitung der überbaubaren Grundstücksfläche fällt vergleichsweise gering aus, betrachtet man das Baufenster im Vergleich mit der Grundstücksgröße. Auf das Baugebiet bezogen, fällt die Überschreitung überhaupt nicht ins Gewicht. Sicherlich war die Festsetzung wohlüberlegt, jedoch deutet nichts darauf hin, dass genau diese Baugrenze an dieser Stelle mit einer bestimmten Zielsetzung festgesetzt worden ist und nicht auch geringfügig anders hätte festgesetzt werden können.

 

Es hätte möglicherweise auch Sinn gemacht, das Baufenster von vornherein etwas größer zu planen, da man den späteren Zuschnitt der Grundstücke nicht kannte. Daher ist die Überschreitung auch städtebaulich vertretbar, da sie in dieser Form auch Inhalt der Planung hätte sein können, ohne die harmonische Struktur des Baugebietes oder die Absichten des Plangebers nachteilig zu beeinflussen.

 

Ob eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB städtebaulich vertretbar ist, ist nämlich anhand der konkreten Gegebenheiten danach zu beurteilen, ob die Abweichung unter Beachtung des § 1 BauGB auch Inhalt des Bebauungsplans sein könnte, von dessen Festsetzungen im Einzelnen abgewichen werden soll. Dies ist vorliegend zu bejahen.

 

Die Befreiung wäre auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Nachbarliche Interessen, die nachteilig beeinträchtigt werden könnten, sind nicht ersichtlich, nachbarschützende Festsetzungen sind vorliegend weder betroffen noch überhaupt vorhanden. Ein überzeugendes Anzeichen dafür, dass keine nachbarlichen Interessen beeinträchtigt werden, ist, dass es keinen Konflikt mit dem bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrecht gibt, da die Abstandsflächen nach wie vor auf dem eigenen Grundstück liegen würden. Angrenzend an das Plangebiet liegt der Geltungsbereich der 4. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 28. Dort sind im Grenzbereich der Grundstücke Flächen für Bepflanzung vorgesehen mit einer Tiefe von 3,0 m, so dass auch in diese Richtung keine Störungen zu besorgen sind.

 

Zu den öffentlichen Belangen gehören die in § 1 Abs. 6 BauGB bezeichneten, bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu beachtenden Belange sowie alle im Zusammenhang mit den städtebaurechtlichen Anforderungen an die Bauleitplanung heranzuziehenden Belange. Entscheidend ist ihr städtebaulicher oder bodenrechtlicher Bezug. Relevant sind insbesondere diejenigen öffentlichen Belange, die bei den Festsetzungen des Bebauungsplans, von denen abgewichen werden soll, im Sinne des § 1 BauGB abwägungsbeachtlich gewesen sind sowie solche öffentlichen Belange, die durch die Befreiung mit Auswirkungen auf die dem Bebauungsplan zugrunde liegenden Abwägung erstmals berührt werden. Die Unvereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen kann danach gegeben sein, wenn die mit dem Bebauungsplan verfolgten Ziele und Zwecke und insbesondere der mit seinen Festsetzungen geschaffene Ausgleich an Belangen, das sog. Interessengeflecht der Planung, berührt wird. Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall. Keiner der in § 1 BauGB genannten Belange wird durch die Erteilung der Befreiung negativ berührt.

 

Relevante öffentliche Belange könnten sein die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung nach einem ruhigen, ansprechenden Wohngebiet und das Ortsbild. Beides wird vorliegend durch die erstrebte Befreiung nicht beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt somit nicht vor.

 

Die Befreiung steht auch nicht im Widerspruch zu anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften.

 

Da die Voraussetzungen erfüllt sind und vor dem Hintergrund der Gehbehinderung des Bauherrn ist die Verwaltung der Ansicht, dass eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 99 der Stadt Geilenkirchen im beantragten Ausmaß erteilt werden könnte.

 


Anlagen:

Lageplan

Auszug aus dem Bebauungsplan Nr. 99