Betreff
Bericht über die Entwicklung der Fallzahlen und Kosten im Bereich der Hilfen zur Erziehung
Vorlage
323/2011
Art
Informationsvorlage

Bereits in der Sitzung vom 27.05.2010 berichtete die Verwaltung ausführlich über die Fallzahl- und Kostenentwicklung im Bereich der Hilfen zur Erziehung.  Entsprechend der Ankündigung in der Sitzung vom 02.11.2010 legt die Verwaltung nunmehr das Ergebnis einer hierzu erfolgten Analyse vor und benennt bereits eingeleitete Maßnahmen zur Kostenkontrolle. Letztere haben in den vergangenen Monaten im politischen Raum zum Teil für Verunsicherung hinsichtlich der Einhaltung der Leistungsstandards des Jugendamtes geführt, weshalb auch auf die fachlichen Standards und rechtliche Vorgaben eingegangen wird, die für die Arbeit des Jugendamtes maßgebend sind. Die Verwaltung wird zudem die gesetzlich vorgeschriebene Jahresstatistik für 2010 vorziehen und Ergebnisse wie Altersaufbau und Gründe für Hilfegewährungen in der Sitzung in Form einer Tischvorlage bekannt geben.

 

Wie dem anliegenden Diagramm zu entnehmen ist, entwickelten sich ab Mitte 2009 erhebliche Fallzahlsteigerungen bei den ambulanten Hilfen zur Erziehung. Ab Anfang des Jahres 2010 stieg zudem die bis dahin konstant gehaltene Zahl der besonders kostenaufwändigen Heimunterbringungen stark an. Die im Haushaltsjahr 2010 für den Bereich zu leistenden Aufwendungen betragen unter Berücksichtigung der Einnahmen insgesamt 3.923.000 €; eingeplant waren Mittel von 2.340.000 €.

 

Ein erheblicher Teil der zusätzlich zu finanzierenden Hilfefälle ergibt sich aus Zuzügen von Familien, die bereits am bisherigen Wohnort Hilfe zur Erziehung für ihre Kinder erhielten. Dies wiederum resultiert aus einem deutlichen Überangebot an familiengerechtem Wohnraum in Geilenkirchen sowie großräumig geschalteter Werbung der Investoren entsprechender Wohnanlagen. Der inzwischen in Geilenkirchen zu verzeichnende erhöhte Anteil von Transferleistungsempfängern an der Gesamtbevölkerung ist auch in der Jugendhilfe bedeutsam, da allgemein etwa 60 % der Empfänger stationärer Hilfen zur Erziehung ALG II – Empfänger sind. Im  Zeitraum 01.01.2009 bis 31.08.2010 hat das Jugendamt durch Zuzüge 22 neue Jugendhilfefälle erhalten, während nur 9 Fälle durch Fortzüge eingestellt werden konnten. Die hierdurch entstehenden jährlichen Mehrkosten für die Stadt betragen 328.000 €. Durch zum Teil erheblich verspätete Übergabe der Fälle durch die zuvor zuständigen Jugendämter wurden die Fälle häufig erst spät bekannt und konnten so in der Haushaltsplanung nicht berücksichtigt werden. Zudem musste die Stadt für die Zeit vom Umzug der Familien bis zur Fallübergabe Kostenerstattung leisten, wodurch im Jahr 2010 weitere ungeplante Mehrkosten von ca. 200.000 € entstanden.

 

In 9 Fällen mussten Kinder, die extremer körperlicher Gewalt ausgesetzt waren, in teuren Heimen untergebracht werden, wodurch jährliche Kosten von 550.000 € entstehen. In diesen Fällen wurden Anträge auf Kostenerstattung nach dem Opferentschädigungsgesetz gestellt mit dem Ziel, die Kosten durch Leistungen der Versorgungsverwaltung zu refinanzieren. Diese Antragsverfahren sind langwierig, da sie auch vom Verlauf der Strafverfahren abhängig sind, aber es kann in der Zukunft mit erheblichen Erstattungen gerechnet werden.

 

Ansonsten ist der Anstieg der Kosten im Bereich der Hilfen zur Erziehung einer allgemeinen Entwicklung geschuldet, die derzeit in allen Jugendämtern beobachtet wird: Durch große Sensibilisierung der Bevölkerung und vor allem der Institutionen wie Schulen und Kindergärten erhalten die Jugendämter erheblich mehr Hinweise auf Kindeswohlgefährdungen und sind häufiger gehalten, Hilfen zu installieren.

 

 

 

 

 

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Die Verwaltung ist seit geraumer Zeit bestrebt, einem weiteren überproportionalen Kostenanstieg entgegen zu wirken.  Hierbei bewegt sie sich im Rahmen gesetzlicher Vorgaben sowie wissenschaftlicher Empfehlungen und Standards.

 

Bei der Betrachtung des Aufgabenbereichs Hilfen zur Erziehung im weiteren Sinne ist zu unterscheiden zwischen Hilfen, die ggf. auch gegen den Willen der Eltern geleistet werden, um akute Kindeswohlgefährdungen abzuwenden und Hilfen zur Erziehung, die auf Antrag der Sorgeberechtigten geleistet werden, um eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung zu gewährleisten.

                                                                      

Bei Erfüllung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Schutz von Kindern bei Kindeswohlgefährdungen orientiert sich das Jugendamt an Empfehlungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) sowie des  Instituts für Soziale Arbeit, Münster (ISA). Die hier gegebenen Anhaltspunkte für das Erkennen von Kindeswohlgefährdungen in verschiedenen Ausprägungen hat das Amt auch allen in Frage kommenden Institutionen wie Schulen, Kindergärten, den Offenen Ganztagsschulen, den Tagespflegepersonen, den Pflegeeltern, den Trägern der Hilfen zur Erziehung, den Kinderärzten und den Hebammen im Rahmen der Kooperationsvereinbarungen zur Verfügung gestellt und diese hierdurch in die Lage versetzt, dem Jugendamt schnellst möglich entsprechende Hinweise zu geben. Der Umgang mit eingehenden Hinweisen auf Kindeswohlgefährdungen im Jugendamt  ist in einer Dienstanweisung geregelt, deren hohe Sicherheitsvorgaben von der Gemeindeprüfungsanstalt in ihrer Prüfung bereits Ende 2008 als vorbildlich gelobt wurden. Prägend ist hier die Wahrung des Vieraugenprinzips ab Beginn des Verfahrens, die Beteiligung der gesondert ausgebildeten Kinderschutzfachkraft sowie die Prüfung in mehreren Schritten unter Einbeziehung aller mitwirkenden Fachkräfte.  Der hier beschriebene Bereich ist nicht Gegenstand von Einsparüberlegungen der Verwaltung.

 

Dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 75 GO folgend ist jedoch die Erfüllung der Aufgaben des Jugendamtes wie jedes Verwaltungshandeln ständig auf Einsparpotential zu untersuchen. So hat die Verwaltung bereits in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses vom 27.05.2010 berichtet, dass unter Beteiligung der anderen Jugendämter im Kreis Heinsberg mit den Anbietern ambulanter Hilfen zur Erziehung neue Leistungsstandards ausgehandelt wurden, die im Ergebnis sicherstellten, dass vom Jugendamt gebuchte Fachleistungsstunden auch Aufwendungen für Leitung, Fahrten, Fachbesprechungen u. ä. abdecken und somit eine bezahlte Stunde auch vollständig für die Arbeit mit der Familie eingesetzt wird. Hierdurch konnten die in allen bestehenden Hilfefällen in Auftrag gegebenen Fachleistungsstunden deutlich reduziert werden.

 

Zusätzlich zu den turnusmäßig stattfindenden Hilfeplanfortschreibungen wurden im Amt alle laufenden Hilfefälle von einer eigens zu diesem Zweck gebildeten Arbeitsgruppe dahingehend untersucht, inwieweit Dauer und Intensität der Hilfen gerechtfertigt erscheint. Auch hier wurden wissenschaftliche und rechtliche Vorgaben beachtet. So wird fachlich davon ausgegangen, dass eine sozialpädagogische Familienhilfe (die typische Ausgestaltung ambulanter Hilfen zur Erziehung) nicht geeignet ist, wenn sie nicht spätestens nach 1 ½ Jahren das Ziel erreicht hat. Hieran orientieren sich auch die Gerichte mit dem Ergebnis, dass im Fall einer erfolglos verlaufenen Hilfe nach § 27 SGB VIII kein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung besteht.  Es ist somit zu erwägen, Hilfeleistungen zu beenden, wenn sich abzeichnet, dass  der verfolgte Zweck nicht erreichbar ist. In solchen Fällen bleiben die Lebensverhältnisse der Kinder suboptimal. Das Jugendamt findet aber durch regelmäßige Beteiligung der Kooperationspartner Wege, existentielle Kindeswohlgefährdungen auszuschließen. Sofern der Erfolg einer angebotenen und eingeleiteten Maßnahme wegen fehlender Mitwirkungsbereitschaft der Familie oder beispielsweise eines älteren Jugendlichen gefährdet ist, erscheint es ggf.  vertretbar, andere Hilfsangebote des staatlichen Systems, wie zwangsweise Schulzuführungen und die Jugendgerichtsbarkeit arbeiten zu lassen. Gleichwohl leistet das Amt bewusst dauerhaft Hilfe zur Erziehung in ambulanter Form für Familien, die nicht selbstständig für ihre Kinder sorgen können, eine Heimunterbringung aber angesichts intakter emotionaler Bindungen nicht in Frage kommt.

 

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Unabhängig von aktuellen Einsparbemühungen sind auch gesetzliche Beschränkungen für die qualitative Ausgestaltung der Hilfen zu beachten: Im Rahmen der Hilfen zur Erziehung hat das Jugendamt für eine angemessene, nicht jedoch für die optimale Erziehung zu sorgen. Das Wunsch- und Wahlrecht der Sorgeberechtigten darf nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führen. Die meisten Hilfen sind nur Erfolg versprechend und damit geeignet, wenn die Familien im Sinne der Hilfeplanung mitwirken. Auf nicht geeignete Hilfen besteht kein Rechtsanspruch. Einzelfälle, in denen das Jugendamt angesichts dieser Vorgaben Hilfen beschränkt oder beendet, führen bei Betroffenen oder Beobachtern ggf. zu der Aussage, das Jugendamt „tut nichts“.  Sofern solche Aussagen in die Politik getragen werden, leistet die Verwaltung Mitgliedern des Ausschusses unter Beachtung der Geheimhaltungspflicht gerne Aufklärung. Häufig wird mit negativ erscheinenden Entscheidungen das Ziel verfolgt, Eigenverantwortlichkeit und Selbsthilfekräfte der Betroffenen herauszufordern und Konsequenz zu zeigen. 

 

Die Untersuchung verfolgte auch das Ziel, dem Jugendhilfeausschuss eine Kategorisierung der Hilfefälle vorzustellen. Dies scheiterte jedoch an der Erkenntnis, dass die hilfebedürftigen Familien meist mehrere große Probleme bündeln.  Hauptursachen für Hilfen sind zu etwa gleichen Anteilen  psychische Erkrankungen von Elternteilen, fehlende Leitbilder und Schicksalsschläge. Einsparmöglichkeiten sind insofern nur begrenzt vorhanden. Die Verwaltung hofft, unter Ausnutzung aller Einsparmöglichkeiten weiter steigende Kosten zu vermeiden und hat für 2011 Haushaltsmittel in Höhe der 2010 entstandenen Aufwendungen angemeldet.

 

 


Finanzierung:

 

Durch die Ausführung des vorgeschlagenen Beschlusses entstehen folgende Auswirkungen auf den Haushalt:

 


Anlagenverzeichnis: