Betreff
Beratung und Beschlussfassung über eine Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes für straßenbauliche Maßnahmen in der Stadt Geilenkirchen vom 15.12.1972; Aufnahme einer Eckgrundstücksvergünstigung
Vorlage
2059/2020
Art
Vorlage

 

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Geilenkirchen beschließt keine Änderung der KAG-Satzung; es verbleibt bei der jetzigen Fassung.

 

Alternativ spricht sich der Rat der Stadt Geilenkirchen für die Erweiterung der KAG-Satzung der Stadt Geilenkirchen um eine Regelung zur Gewährung einer differenzierten Eckgrundstücks­vergünstigung aus.

 

 


Sachverhalt:

 

Ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht liegt es auch im Straßenbeitragsrecht im Ermessen des Ortsgesetzgebers, in die Satzung eine Bestimmung aufzunehmen, durch die die allgemeine Verteilungsregelung zugunsten der Eigentümer von Eckgrundstücken (und Grundstücken zwischen zwei Anlagen) – und zu Lasten der übrigen Beitragspflichtigen –modifiziert wird.  

Angrenzende Nachbarkommunen der Stadt Geilenkirchen machen hiervon teilweise im unterschiedlichen Maße Gebrauch. Hierdurch entstehen bei den Beitragsabrechnungen der Stadt Geilenkirchen lange Diskussionen und rechtliche Auseinandersetzungen mit den Eckgrundstückbesitzern, die auf die Regelungen der anderen Städte verweisen. Daher ist die Bewertung einer Eckgrundstücksvergünstigung im Rahmen der politischen Gremien erneut aufzuwerfen und zu diskutieren.

 

Es wird nicht verkannt, dass Eigentümer von Eckgrundstücken beim Ausbau von zwei angrenzenden Straßen, für die Straßenbaubeiträge erhoben werden, finanziell doppelt belastet werden.

 

Eine undifferenzierte und nicht im Einzelfall abgewogene Eckgrundstücksvergünstigung (wie im Erschließungsrecht üblich) zu Lasten der übrigen Anlieger ist nach der Rechtsprechung im Straßenbaubeitragsrecht nicht zulässig. (vgl. u.a. OVG Münster, Urteil vom 21.04.1975 –II A769/72).

Es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der wirtschaftliche Vorteil durch Ausbau einer der Straßen für den Eckgrundstückseigentümer anders zu bewerten ist als bei den übrigen Anliegern der ausgebauten Straßen (maßnahmenbezogener Vorteil).

Dies bedeutet, dass eine Eckgrundstücksvergünstigung nur gewährt werden kann, wenn die ausgebaute Straße einen Ausstattungszustand erhält, über den die andere Straße schon verfügt.

Wird eine Straße mit Fahrbahn, Gehweg etc., die andere als Mischverkehrsfläche bzw. als verkehrsberuhigter Bereich niveaugleich ausgebaut, liegt eine Unterschiedlichkeit vor, die dann keinen Raum für die Gewährung einer Eckgrundstücksvergünstigung lässt.

 

Grenzt an die auszubauende Straße eine Straße an, die noch nicht erstmalig hergestellt ist und für die bei einem Ausbau Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch (da andere Rechtsmaterie) zu erheben sind, kommt die Vergünstigungsregelung ebenfalls nicht zum Zuge.

 

Der beitragsfähige Aufwand einer Maßnahme wird (prozentual, entsprechend § 3 KAG-Satzung) auf die Stadt und auf die Eigentümer verteilt. Die Beträge, die den Eckgrundstückseigentümern erlassen werden, sind von den anderen Eigentümern zu tragen.

 

Da die Eckgrundstücksvergünstigung nach der einschlägigen Literatur nur nach Maßgabe des Einzelfalles unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren (wie z.B. gleiche Ausstattung beider Straßen, Anwendungsprobleme ergeben sich, wenn die abzurechnende Straße an eine klassifizierte Straße, sprich Kreis-, Landes- oder Bundesstraße grenzt) gewährt werden kann, wird sich eine Vergünstigungsregelung letztlich auf einen eingeschränkten Kreis von Straßen anwenden lassen.

Eigentümern von Eckgrundstücken werden diese verschiedenen Verfahrensweisen in der Praxis sicherlich schwer zu vermitteln sein.

 

Zur Bewertung der komplexen Thematik äußert sich der Städte- und Gemeindebund NRW u.a. wie folgt: Wegen der Schwierigkeiten der Gewährung einer Eckgrundstücksvergünstigung nach der Rechtsprechung empfiehlt der Berichterstatter beim OVG NRW für die

satzungsgeberische Praxis auf eine Eckgrundstücksvergünstigung gänzlich zu verzichten (Schneider, a.a.O., Rn. 48).

 

Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten in der Rechtsanwendung empfiehlt der Städte- und Gemeindebund NRW eine Anlehnung an die Mustersatzung, die aufgrund der überdifferenzierenden Rechtsprechung auf eine Eckgrundstücksermäßigung verzichtet.

 

Prof. Dr. H.J. Driehaus, vormals Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht und Verfasser zahlreicher Schriften und Kommentare zum Beitragsrecht hält eine solche Regelung ebenfalls für nicht erforderlich.

 

Die Verwaltung teilt diese Auffassung. Daher sollte aufgrund der Komplexität und der damit verbundenen Problematiken auf eine Eckgrundstücksvergünstigung im Straßenbaubeitragsrecht verzichtet werden.

 

Alternativ hierzu wäre eine generelle Regelung, nach der der auf Eckgrundstücke entfallende Beitrag von der Gemeinde nur zu zwei Dritteln erhoben wird, rechtlich unbedenklich. Allerdings geht in diesem Fall der zu erlassende Anteil (ein Drittel) zu Lasten der Gemeinde, was einem -freiwilligen- Einnahmeverzicht gleichkommt.

 

Bei einer großzügigen Regelung ist jedoch zu bedenken, dass die Eckgrundstücks­regelung grundsätzlich die Annahme erlaubt, dass durch den Ausbau der mehreren Anlagen dem Grundstückseigentümer mehrfach ein wirtschaftlicher Vorteil zugewandt wird, weil der Gebrauchswert der Grundstücke durch die umfassende verkehrliche Erschließung von mehreren Straßen entsprechend gesteigert wird. Das rechtfertigt die mehrfache Heranziehung zu Beiträgen im Falle eines Ausbaus der jeweiligen Anlage, die die Erschließung vermitteln. (vgl. Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 KAG NRW, 7. Aufl., RdNr. 475)

 

Ein kreisweiter Vergleich der Satzungsbestimmungen hat ergeben, dass bislang keine kreisangehörige Kommune eine generelle Vergünstigungsregelung zu Lasten der Gemeinde eingeführt hat.

Die Verwaltung empfiehlt aufgrund der vorliegenden Einschätzungen auf eine Eckgrundstücksvergünstigung gänzlich zu verzichten. Hier bliebe es dann bei der jetzigen Satzungsregelung.

Sollte eine Eckgrundstücksvergünstigung in Erwägung gezogen werden, sollte wie in den Städten/Gemeinden Erkelenz, Gangelt und Hückelhoven eine differenzierte Vergünstigungsregelung beschlossen werden mit folgendem Inhalt:

„Soweit durch eine Ausbaumaßnahme eine von mehreren ein Grundstück erschließenden Straßen eine Ausstattung erlangt, die eine andere das Grundstück erschließende Straße bereits besitzt, werden von der anrechenbaren Grundstücksfläche nur 60% in Ansatz gebracht. Bei gleichzeitigem Ausbau mehrerer Straßen in gleicher Ausstattung ist die gewährte Ermäßigung nur anteilsweise (dividiert durch die Anzahl der gleichzeitig ausgebauten Erschließungsanlagen) zu jeder einzelnen Erschließungsanlage zu gewähren.“

In diesem Fall wäre die im folgenden Tagesordnungspunkt dargestellte Satzungsänderung zu beschließen. Diese müsste rückwirkend zum 01.01.2020 in Kraft treten, da diese dann ebenfalls auf die in 2020 begonnenen Straßenbaumaßnahmen anwendbar ist.

 

Über die Angelegenheit ist zu beraten und zu beschließen.