Betreff
Bebauungsplan Nr. 122 der Stadt Geilenkirchen - Industriegebiet Lindern "Future Site InWest" für eine Fläche nördlich der Ortschaft Lindern, nord-östlich der Ortschaften Leiffarth und Honsdorf, südlich der Ortschaft Randerath und westlich der Ortschaft Brachelen;
- Aufstellungsbeschluss gemäß § 2 Abs. 1 BauGB
Vorlage
2349/2021
Art
Vorlage

Beschlussvorschlag:

 

Es wird beschlossen den Bebauungsplan Nr. 122 der Stadt Geilenkirchen – Industriegebiet Lindern „Future Site InWest“ gemäß § 2 Abs. 1 BauGB aufzustellen.


 

Sachverhalt:

 

Das Land Nordrhein-Westfalen betreibt seit Jahrzehnten eine Flächenvorsorge für landesbedeutsame flächenintensive industrielle Großvorhaben. Insgesamt vier Flächen werden für diesen Zweck im Landesentwicklungsplan NRW (LEP NRW) dargestellt. Die vier Standorte befinden sich in Datteln, Euskirchen, Grevenbroich-Neurath und Geilenkirchen-Lindern.  

 

Die Fläche in Geilenkirchen-Lindern liegt direkt nördlich der Ortschaft Lindern, nord-östlich der Ortschaften Leiffarth und Honsdorf, südlich der Ortschaft Randerath und westlich der Ortschaft Brachelen. Für den Standort Lindern sind im LEP NRW rd. 240 ha für Industrieflächen dargestellt. Der Standort Lindern verfügt über den Vorteil, dass sich ein Großteil der Flächen bereits im Eigentum der öffentlichen Hand befinden. So wurden im Plangebiet seit 1992 insgesamt 141,9 ha landwirtschaftliche Flächen von NRW.URBAN im Treuhandauftrag des Landes NRW (120,5 ha) und der Stadt Geilenkirchen (21,4 ha) erworben.

 

Ein Unternehmen, welches sich auf dieser Fläche ansiedeln möchte, musste bisher einen Mindestflächenbedarf von 80 ha nachweisen. Durch eine Änderung des LEP NRW im Rahmen des sog. „Entfesselungspakets II NRW“ wurde der bisher geltende Mindestflächenbedarf für Erstansiedlungen für industrielle Großvorhaben nun auf 50 ha reduziert. Diese 50 ha können ausnahmsweise auch im Vorhabenverbund (mehrere Betriebe an einem Standort) nachgewiesen werden, wenn sichergestellt ist, dass die einzelnen Vorhaben funktionell miteinander verbunden sind und die erste Ansiedlung eines Vorhabenverbundes durch ein Produktionsunternehmen mit einem Flächenbedarf von mindestens 10 ha erfolgt.

 

Im Juli 2018 wurde zudem mit dem Ausbau des Kreisverkehrs an den Autobahn-Anschluss Hückelhoven-Ost an die A46 begonnen, dem der Bau der Ortsumgehung Hückelhoven folgen soll. Dieser Ausbau stellt zugleich den ersten Teilabschnitt der geplanten ortsdurchfahrtsfreien Anbindung des Industriegebiets Lindern an die A46 dar.

 

Da sich aufgrund dieser Meilensteine die Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Industriestandorts wesentlich geändert haben, hat das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen NRW.URBAN mit der Entwicklung einer möglichen Träger- und Projektstruktur im Rahmen eines einjährigen, kooperativen Planungsprozesses beauftragt. Dem Planungsprozess lag die Fragestellung zugrunde, welche Maßnahmen und Entwicklungszeiträume notwendig sind, um in Lindern einen landesbedeutenden Industriestandort entsprechend den Vorgaben des Landesentwicklungsplans NRW zu entwickeln.

 

Um diesem Planungsauftrag nachzukommen, wurde eine Projektgruppe, bestehend aus den Städten Geilenkirchen, Heinsberg und Hückelhoven sowie dem Kreis Heinsberg, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Heinsberg (WFG) und der NRW.URBAN im Treuhandauftrag des Landes NRW, gebildet. In vier Arbeitsgruppen wurden schwerpunktmäßig die Themenbereiche

 

  • Profilbildung / Vermarktung (Leitung: WFG)
  • Regionalplanung / Bauleitplanung (Leitung: Stadt Geilenkirchen)
  • Erschließung / Infrastruktur / Umwelt (Leitung: Kreis Heinsberg)
  • Trägerschaft / Wirtschaftsplan (Leitung: NRW.URBAN)

 

bearbeitet. Ergebnis der Projektarbeit war ein Perspektivbericht, der am 12.11.2019 an Staatssekretär Dammermann, Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf überreicht wurde.

 

Aus diesem Perspektivbericht geht hervor, dass zur Realisierung des Projekts eine Entwicklungsgesellschaft gegründet werden sollte. Diese Gesellschaft, die „FUTURE SITE InWEST Entwicklungsgesellschaft mbH“ (FSI GmbH), wurde mittlerweile gegründet.

 

 

Ziele der FSI Entwicklungsgesellschaft mbH

 

Unter dem Namen „FUTURE SITE InWEST“ soll ein innovativer und nachhaltiger Standort für flächenintensive industrielle Großvorhaben entwickelt werden. Es soll kein Industriegebiet bekannter Machart, sondern ein grünes Areal mit umgebendem Grüngürtel, unversiegelten Freiflächen und Gründächern entstehen. Die FSI GmbH möchte einen Standort für „die Industrie von morgen“ entwickeln und mit innovativen und zukunftsweisenden Konzepten – von Mobilität über Entwässerung bis Energieversorgung – ideale Rahmenbedingungen für einen klimaneutralen Industriestandort schaffen. Die Energieversorgung könnte beispielsweise klimaneutral mithilfe neuester Energielösungen wie grünem Wasserstoff realisiert werden.

 

Ziel ist es, die Ansiedlung von internationalen Unternehmen zu ermöglichen und damit auch zum Gelingen des Strukturwandels im Rheinischen Braunkohlerevier beizutragen.  An dem Standort FUTURE SITE InWEST in Lindern sollen gezielt Betriebe von besonderer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen angesiedelt werden, die zur Stärkung der Innovationskraft und Wertschöpfung sowie zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beitragen. Denkbar wären demnach Ansiedlungen aus den Bereichen Automobil-, Maschinen- und Anlagenbau, der pharmazeutischen, chemischen und Kunststoffindustrie, der Energie- und Regelungstechnik.

 

 

Baurecht und Bauleitplanung

 

Aktuell besteht für den Standort Lindern noch kein Baurecht. Zwar stellt der Flächennutzungsplan der Stadt Geilenkirchen die Fläche bereits seit seiner 5.2. Änderung aus dem Jahr 1982 als Industriegebiet („GI“ gem. § 1 Abs. 2 Nr. 11 BauNVO i. V. m. § 9 BauNVO) dar, doch existiert für den Bereich bisher kein Bebauungsplan.

Bisheriger Sachstand:

 

Am 07.10.1992 erfolgte der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 71 der Stadt Geilenkirchen mit dem Ziel, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Nutzung und Bebauung des Industriegebietes sicherzustellen.

 

Das Plangebiet des Bebauungsplanes Nr. 71 wurde im Kernbereich als Industriegebiet festgesetzt. Um den Schutzansprüchen der südlich angrenzenden Wohnbebauung in Lindern gerecht zu werden, wurde das Industriegebiet in 10 Teilbereiche gegliedert. Für die Teilbereiche wurden unterschiedliche maximal zulässige flächenbezogene Schallleistungspegel (FBS) festgesetzt. Zusätzlich wurden bestimmte Betriebsarten nach der Abstandsliste 1990 nicht zugelassen.

 

Nach Offenlage im Jahr 1995 (17.02.-20.03.1995) erfolgte jedoch kein Satzungsbeschluss. Grund hierfür war insbesondere die fehlende überörtliche Verkehrsanbindung an die A46 über leistungsfähige und ortsdurchfahrtsfreie Zubringerstraßen. Aufgrund des zu erwartenden erhöhten Verkehrsaufkommens in Kombination mit der fehlenden Ortsumgehung Linderns über die L228 wuchs zudem der Widerstand aus der Bevölkerung.

 

Dies hatte zur Folge, dass das Industriegebiet nicht erschlossen werden konnte und bis heute nur über die bestehenden Ortsdurchfahrten der L364 bzw. L228 erreichbar ist. Die bereits erworbenen Flächen werden seither zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet.

 

Neue Planungen:

 

Zwischen den beteiligten Akteuren besteht Einvernehmen darin, die notwendigen Schritte für eine Realisierung des geplanten Industriegebietes zeitnah vorzubereiten. Um hierfür die planungsrechtlichen Grundlagen zu schaffen, ist ein Bebauungsplanverfahren für das Gesamtgebiet durchzuführen. Hierbei sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

 

Die Beteiligten gehen davon aus, dass die vorhandenen Straßenanbindungen an die umliegenden Autobahnen leistungsfähig genug sind, um die Realisierung erster Firmenansiedlungen auf Teilflächen des Gesamtgeländes bereits heute zu ermöglichen. Den konzeptionellen Rahmen liefert das hierfür eigens entwickelte sog. Cluster-Konzept. Dieses Konzept soll eine schrittweise und zugleich zeitnahe Entwicklung von Gewerbe- und Industrieflächen auf den Grundstücken, die sich bereits im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, ermöglichen.

 

Die Größe der jeweiligen Cluster beträgt 50 ha, was dem Mindestbedarf für flächenintensive Großvorhaben gem. LEP NRW entspricht. Das Fortschreiten der Clusterbildung erfolgt in Abhängigkeit zur Verkehrssituation bzw. zum jeweiligen Stand der realisierten Straßenbaumaßnahmen. Um belastbar festzustellen, wann wie viel Verkehr durch das Verkehrsnetz wirkungsvoll aufgenommen und abgewickelt werden kann, wird die Erarbeitung eines Verkehrsgutachtens erforderlich.

 

Für die praktische Umsetzung bedeutet dies, dass auf Basis unterschiedlicher Nutzungsszenarien und verkehrlicher Ausbaustufen der Straßenverbindungen vom Industriestandort zu den umliegenden Autobahnen belastbare Aussagen dazu gemacht werden können, zu welchem Entwicklungsstand wieviel Hektar Bauland mit welchen Funktionen konkret in Nutzung gehen können. Hierbei spielt die Realisierung der geplanten Straßenbaumaßnahmen (L364n, L228n, K24n) eine entscheidende Rolle.

 

Es wird für sinnvoll erachtet, Planungsrecht für das Gesamtgebiet in einem Guss, d.h. eingebettet in ein Bauleitplanverfahren, zu schaffen. Da - sollte es am Ende dieses Bauleitplanverfahrens zu einem Satzungsbeschluss kommen - mit der Bekanntmachung der Bebauungsplan für den geplanten Gesamtstandort rechtskräftig wird, ist für die clusterweise Umsetzung des Bebauungsplanes eine rechtliche Absicherung erforderlich. Hierbei stellt eine vertragliche Regelung zwischen der Stadt Geilenkirchen (als Genehmigungsbehörde) und dem Projektträger (FSI GmbH), zuzüglich einer dinglichen Absicherung oder Baulast, sicher, dass nur die Flächen einer Vermarktung und Realisierung zugeführt werden können, für die eine leistungsfähige Infrastruktur zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung steht.

 

Der wesentliche Vorteil der skizzierten Vorgehensweise im Vergleich zu vorherigen Planungen besteht - nicht zuletzt wegen der Verkleinerung des Mindestbedarfs - darin, bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt die bauliche Entwicklung des Gebietes und die Ansiedlung neuer Unternehmen vorantreiben und umsetzen zu können.

 

Sämtliche Eingriffe in Natur und Landschaft, die mit der Realisierung des Industriegebiets einhergehen, sollen innerhalb des Plangebiets oder in unmittelbarer Nähe zum Plangebiet mit geeigneten Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden. Wie hoch der Eingriff in Natur und Landschaft zu bewerten ist, muss durch ein entsprechendes Gutachten ermittelt werden.

 

 

Verfahren

 

Zur Schaffung des Baurechts innerhalb des Plangebiets ist die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich. Ein Bebauungsplan kann nur durch die Belegenheitskommune, hier also durch die Stadt Geilenkirchen, aufgestellt werden. Der Bebauungsplan soll das „Normalverfahren“ inklusive frühzeitiger Beteiligung (der Öffentlichkeit sowie der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange) und Offenlage durchlaufen und aus dem Flächennutzungsplan heraus entwickelt werden.

 

Die Öffentlichkeitsbeteiligung spielt eine entscheidende Rolle innerhalb eines Bauleitplanverfahrens. Das Baugesetzbuch sieht im Normalverfahren die Durchführung von mindestens zwei Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligungen vor. Aufgrund der Besonderheit und Größe des Plangebiets sowie der zu erwartenden Widerstände aus der Bevölkerung, soll die Öffentlichkeitsbeteiligung in diesem Verfahren intensiv und zeitlich über das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß hinaus durchgeführt werden, damit jede/r die Möglichkeit hat, sich in ausreichendem Maße mit der Planung zu beschäftigen, Fragen zu stellen und Anregungen, Hinweise oder Bedenken vorzutragen.

 

Es ist vorgesehen, den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan zu fassen und hierdurch eine grundsätzliche Planungsabsicht zu erklären, um das Bauleitplanverfahren einleiten zu können.

 

Im Anschluss an diesen Aufstellungsbeschluss soll dann durch ein geeignetes Planungsbüro ein Bebauungsplan-Vorentwurf als Planungs- und Diskussionsgrundlage erstellt und entsprechende Fachgutachten zu den Themen Verkehr, Lärm/Immissionen, Boden/Entwässerung, Umwelt/Artenschutz etc. eingeholt werden. Anhand des Vorentwurfs soll dann in einem weiteren Schritt - nach vorherigem Ratsbeschluss - die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und Behörden durchgeführt werden.