Beschlussvorschlag:
Die Neufassung der Friedhofsgebührensatzung wird beschlossen.
Vorbemerkung
Friedhöfe sind
ein wesentlicher Bestandteil eines funktionierenden Gemeinwesens. Kaum ein
Bereich des öffentlichen Lebens wird so sensibel gehandhabt und beobachtet wie
der Friedhof. Seit mehreren Jahren zeichnet sich ein Wandel der
Bestattungskultur ab. Die Entwicklung von der Körperbestattung zur
Urnenbeisetzung führen die finanzielle Belastung und die Mobilität der
Angehörigen zu einer Nachfrage an Bestattungsformen, die vor allem durch
weniger Flächen- und Pflegeaufwand gekennzeichnet sind. Diesen strukturellen
Veränderungen kann nicht mehr nur durch kurzfristige Maßnahmen begegnet werden.
Vielmehr geht es um ein langfristig tragendes Gesamtkonzept zur Optimierung des
Friedhofs- und Bestattungswesens. Ansatzpunkte hierzu sind das jeweilige
Leistungsprogramm mit seinem Angebot an Einzelleistungen sowie ein
systematisches Durchleuchten der gesamten Organisationseinheit, um die
betriebliche Strukturen den zukünftigen Anforderungen anzupassen.
Hier setzt die
neue Gebührenkalkulation an und befasst sich vornehmlich damit, wie die
Optimierung des Leistungsangebots und interner Abläufe sowie eine
Friedhofsbedarfsplanung wirkungsvoll zur Wirtschaftlichkeitssteigerung
beitragen können. Die Steuerung der Wirtschaftlichkeit ist nur im Rahmen eines
betriebswirtschaftlichen Konzepts möglich. Für das Friedhofs- und
Bestattungswesen spielen dabei gleichermaßen das neue Haushalts- und
Rechnungswesen, die gebührenrechtlichen Grundlagen und das Finanzierungskonzept
sowie die Kostenrechnung eine Rolle.
Organisationsveränderung
Mit Wirkung vom
01.01.2013 soll das bisherige Friedhofsamt dem Sachgebiet Bürgerbüro /
Standesamt im Bereich des Amtes für öffentliche Sicherheit und Ordnung
angegliedert werden. Bereits heute werden viele Leistungen der
Friedhofsverwaltung durch die Standesbeamten erbracht (Neuerwerb und
Verlängerung von Grabstätten, Grabmalgenehmigungen, Erlaubnis für gewerbliche
Tätigkeiten auf dem Friedhof, Einebnungserklärungen,
Grabpflegeangelegenheiten).
Durch die
Verlagerung der gesamten Friedhofsverwaltung zum Bürgerbüro / Standesamt können
zukünftig sämtliche Angelegenheiten für die Lebenslage Tod bzw. Sterbefall aus
einer Hand bearbeitet werden. Dies stellt für Angehörige und Bestatter eine
enorme Erleichterung in den schwierigen Stunden, die mit einem Sterbefall
verbunden sind, dar. Das Bürgerbüro wird
damit als zentrale Anlaufstelle für Bürgerangelegenheiten weiter gestärkt und ausgebaut.
Durch den Einsatz
einer neuen, effizienteren Software wird kein zusätzliches Personal im Bereich
des Bürgerbüros / Standesamtes benötigt.
Erforderlichkeit einer neuen Gebührenbedarfsberechnung
Mehrere Gründe führen dazu, dass die
Friedhofsgebühren für das Jahr 2013 zwingend neu zu kalkulieren und
festzusetzen sind:
a) Fehlbedarf in vergangenen Gebührenkalkulationen
In den letzten drei Jahren waren die vereinnahmten Gebühren nicht
auskömmlich, um die gebührenfähigen Kosten im Bereich des Friedhofs- und
Bestattungswesens zu decken. Es kam in sämtlichen Jahren zu teilweise
signifikanten Fehlbeträgen, die nach dem Kommunalabgabengesetz innerhalb von
drei Jahren ausgeglichen werden sollen. Die Gebühren sind daher zwangsweise
anzupassen.
2010: Fehlbetrag
lt. Betriebsabrechnung 17.922,31 €
2011: Fehlbetrag
lt. Betriebsabrechnung 91.000,00 €
2012: Fehlbetrag
lt. Kalkulation 28.068,10
€
b) Nicht genehmigter Haushalt /
Haushaltssicherungskonzept
In der Vergangenheit war es rechtlich möglich, eigentlich gebührenfähige
Aufwendungen aus dem städtischen Haushalt heraus zu finanzieren, um die
Gebührenzahler zu entlasten und die Gebühren auf einem niedrigen Niveau zu
halten. Diese Möglichkeit ist in der vorläufigen Haushaltsführung nach § 82 der
Gemeindeordnung NRW, in der sich die Stadt Geilenkirchen momentan
befindet, nicht mehr gegeben. Die
Gebühreneinnahmen müssen daher auskömmlich sein, um die gebührenfähigen
Aufwendungen zu decken. Dies steht im Einklang mit § 77 der Gemeindeordnung
NRW, wonach die Kommune die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen
Finanzmittel soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von
ihr erbrachten Leistungen, im Übrigen
aus Steuern zu beschaffen hat, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht
ausreichen.
c) Rechtliche Grundlagen nach dem
Kommunalabgabengesetz
Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit
für das kommunale Gebührenrecht. Zwischen der in Anspruch genommenen Leistung
und der Gebührenhöhe als Gegenleistung muss ein angemessenes Verhältnis
bestehen (Leistungsproportionalität). Das Prinzip der speziellen
Entgeltlichkeit fordert zudem die „spezielle Leistung“ als Anknüpfungspunkt für
die Gebührenbemessung. Diese Grundsätze berühren Fragen des Gebührenmaßstabes
und des Gebührensatzes und setzen dem Ansatz von Leistungsgesamtheiten und
Pauschalgebühren enge Grenzen. Die Kosten sollen dem Gebührenschuldner
möglichst nach dem konkret festgestellten Umfang seiner Inanspruchnahme
angelastet werden (Wirklichkeitsmaßstab). Nur wenn das nicht möglich ist, kann
ein Maßstab gewählt werden, der dem Umfang und der Art der Inanspruchnahme nahe
kommt und zu einer möglichst gleichmäßigen Belastung der Gebührenschuldner
führt (Wahrscheinlichkeitsmaßstab).
In der Vergangenheit wurden die Gebühren im Bereich des Friedhofs- und
Bestattungswesens jedoch nur teilweise nach diesen Grundsätzen kalkuliert. Es
wurden soziale Faktoren, Gebührensätze umliegender Kommunen und „Traditionen“
bei der Kalkulation der Gebührenhöhe berücksichtigt. Dies ist nach geltender
Rechtsprechung nicht mehr zulässig. Um hier die gebotene Rechtssicherheit zu
schaffen, muss die neue Gebührenkalkulation den o.g. Grundsätzen entsprechen.
Der Aufwand, den eine Leistung, also eine Grabart oder eine Bestattungsform,
verursacht, muss dieser Leistung möglichst exakt zugeordnet werden.
Leistungsspektrum
Voraussetzung für
den Kalkulationsprozess ist die eindeutige Definition und Beschreibung der
Leistungen, die erbracht werden sollen. Erst auf dieser Grundlage sind eine
Strukturierung der Kostenrechnung und die anschließende Kalkulation überhaupt
möglich. Das Leistungsspektrum ergibt sich aus der Friedhofssatzung der Stadt
Geilenkirchen:
Bereitstellung und Vergabe von Grabstätten
Reihengrab ab dem 5. Lebensjahr |
Rasenreihengrab ab dem 5. Lebensjahr |
Reihengrab bis zum 5. Lebensjahr |
Rasenreihengrab bis zum 5. Lebensjahr |
Urnenreihengrab |
Urnenrasenreihengrab |
Wahlgrab |
Wahlgrab als Tiefengrab |
Wahlgrab in besonders gewünschter Lage |
Wahlgrab in besonders gewünschter Lage als Tiefengrab |
Urnenwahlgrab |
Urnenwahlgrab in einem Kolumbarium |
Bestattungsgebühren |
Bestattung Tot- und Frühgeburten / Schwangerschaftsabbrüche |
Bestattung Reihengrab bis zum 5. Lebensjahr |
Bestattung Wahlgrab bei Neuanlegung bis zum 5. Lebensjahr |
Bestattung Wahlgrab bei bestehenden Grabstätten bis zum 5. Lebensjahr |
Bestattung Tiefengrabstätten bei Neuanlegung unteres Grab bis zum 5.
Lebensjahr |
Bestattung Tiefengrabstätten bei bestehenden Grabstätten unteres Grab
bis zum 5. Lebensjahr |
Bestattung Reihengrab, Rasenreihengrab ab dem 5. Lebensjahr |
Bestattung Wahlgrab bei Neuanlegung ab dem 5. Lebensjahr |
Bestattung Wahlgrab bei bestehenden Grabstätten ab dem 5. Lebensjahr |
Bestattung Tiefengrabstätten bei Neuanlegung unteres Grab ab dem 5.
Lebensjahr |
Bestattung Tiefengrabstätten bei bestehenden Grabstätten unteres Grab
ab dem 5. Lebensjahr |
Bestattung Urne (Erdbestattung) |
Beisetzung Asche ohne Urne im Aschengrab |
Bestattung Urne (Kolumbarium) |
Bestattung durch Verstreuung auf dem Aschengrabfeld |
Benutzungsgebühren |
Benutzung Trauerhalle |
Benutzung Kühlzelle |
Genehmigungsgebühren |
Genehmigung Grababdeckung |
Genehmigung Grabdenkmal |
Genehmigung Grabeinfassung |
Genehmigung Grabplatte / Genehmigung Kolumbarienabdeckung |
Kostenstruktur
Das Produkt
„Friedhöfe“ sah im Jahr 2012 Gesamtkosten in Höhe von 632.000 € vor. Die neue
Kalkulation für das Jahr 2013 weist nur noch Gesamtkosten in Höhe von 626.854 €
aus. Die Einsparung in Höhe von 5.146 € kann aufgrund der beabsichtigten
Verlagerung des Friedhofsamtes in das Sachgebiet Bürgerbüro / Standesamt
erzielt werden. Durch die hieraus erzielbaren Synergieeffekte sinken die
Personalkosten. Zu den Gesamtkosten hinzuzurechnen ist allerdings der bereits
erwähnte Fehlbetrag aus der Gebührenkalkulation 2010 in Höhe von 17.922 €.
Die Gesamtkosten
sind zu unterscheiden in gebührenfähige und nicht gebührenfähige Kosten. Nicht
gebührenfähig sind insbesondere solche Kosten, die sich auf die Ehrengräber,
den jüdischen Friedhof und das sog. Rahmengrün (damit ist der Erholungswert des
Friedhofs gemeint) beziehen.
In der Vergangenheit
wurden die nicht gebührenfähigen Kosten aufgrund eines Flächenmaßstabs und
anhand der Friedhofspläne ermittelt. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass 41 %
der Kosten als nicht gebührenfähig zu bewerten sind. Die Gesamtkosten im
Bereich des Friedhofswesens wurden mit diesem Prozentsatz multipliziert und der
hieraus resultierende Teilbetrag wurde als nicht gebührenfähige Summe aus dem
städtischen Haushalt finanziert.
Bei dieser
Vorgehensweise wird jedoch unterstellt, dass jedwede Flächenart den gleichen
Kostenaufwand nach sich zieht. So wird z.B. unterstellt, dass die Pflege eines
Quadratmeters Vorhaltefläche genau so viel Kosten verursacht wie die Pflege
eines Quadratmeters Hecke. Diese Betrachtungsweise ist jedoch mit
Ungenauigkeiten behaftet. Daher wurde zu Beginn des Jahres 2012 eine neue
Arbeitszeiterfassung für die Friedhofskolonne eingeführt. Aufgrund dieser
Arbeitszeiterfassung lässt sich nun exakt und dezidiert feststellen, wie viele
Arbeits- und Maschinenstunden für die Pflege einer bestimmten Flächenart
tatsächlich aufgewendet werden müssen.
Im Ergebnis
verursacht die Pflege der Ehrengräber, des jüdischen Friedhofs und des
Rahmengrüns nur 23 % statt der bisher angenommenen 41 % der Gesamtkosten.
Hierdurch erhöht sich im Umkehrschluss der gebührenfähige Anteil an den
Gesamtkosten.
Das nachfolgende
Schaubild soll die Zusammenhänge und Veränderungen verdeutlichen:
Städtischer Haushalt
Betriebsabrechnungsbogen
Die exakte Gebührenberechnung kann dem als Anlage beigefügten
Betriebsabrechnungsbogen entnommen werden.
Nachfolgend sollen einige Erläuterungen zum Betriebsabrechnungsbogen
gegeben werden:
1) Kostenartenrechnung
Die
verschiedenen Kostenarten und ihre Höhe ergeben sich (soweit nicht anders
angegeben) aus der Betriebsabrechnung des Jahres 2011. Die Personalkosten und
Verwaltungsgemeinkosten wurden aufgrund einer Prognose für das Jahr 2013
berechnet. Die kalkulatorischen Zinsen sowie die kalkulatorischen
Abschreibungen wurden aufgrund des Anlagenachweises für das Jahr 2013
kalkuliert.
2) Kostenstellenrechnung
Die aus der Kostenartenrechnung ermittelten
Werte werden im Rahmen der Kostenstellenrechnung mittels Verteilungsschlüsseln
auf Kostenstellen verteilt. Die Verteilungsschlüssel ergeben sich aus
Arbeitszeiterfassungen der Friedhofskolonne sowie der Friedhofsverwaltung, aus
Maschinenstundenzetteln, aus Fahrzeugstundenzetteln und aus exemplarischen
Analysen von verschiedenen Untersachkonten. Dies führt zu einer möglichst
gerechten Verteilung der Kostenarten auf die verschiedenen Kostenstellen. Das
aus dem Jahr 2010 auszugleichende Defizit in Höhe von 17.922 € wurde auf die
Kostenstellen aufgeteilt. Dabei wurde das
Verhältnis jeder Kostenstelle zu den Gesamtkosten als
Verteilungsschlüssel angewandt.
3) Kostenträgerrechnung
Im Zuge der Kostenträgerrechnung werden die in
der Kostenstellenrechnung ermittelten Kosten verursachungsgerecht auf die
verschiedenen Leistungen (Kostenträger), für die eine Gebühr erhoben wird,
umgelegt. Auch dies erfolgt nach sorgfältig ausgewählten und nachvollziehbaren
Kriterien. So werden im Bereich der Nutzungsrechte Flächenmaßstäbe und im
Bereich der Bestattungen Arbeitsstundenmaßstäbe für die Verteilung der Kosten
auf die einzelnen Grabarten bzw. Bestattungsarten angewandt.
Tendenzen
Durch die neue Berechnungsmethodik lassen
sich einige Tendenzen bei der Verteilung der gebührenfähigen Kosten auf die
verschiedenen Leistungen prognostizieren:
- Urnengräber
haben nur eine Nutzungsdauer von 20 Jahren im Gegensatz zu grundsätzlich 30
Jahren bei Körperbestattungsformen, wodurch die Kosten für Urnengräber deutlich
geringer sind.
- Urnengräber
nehmen wenig Fläche in Anspruch und verursachen daher tendenziell weniger
Aufwand.
- Kolumbarien
benötigen keine Vorhalteflächen und verursachen daher tendenziell weniger
Aufwand.
-
Bei Rasenreihengräbern übernimmt
die Stadt für 30 Jahre lang die Pflege dieser Gräber. Dies verursacht immense
Kosten, die verursachergerecht zugeordnet werden müssen.
Beispiel aus der derzeitigen Gebührensatzung:
Rasenreihengrabstätte für Verstorbene ab dem
5. Lebensjahr 643,00 €
Reihengrabstätte für Verstorbene ab dem 5.
Lebensjahr 310,00
€
Die Rasenreihengrabstätte ist derzeit 333,00
€ teurer als ein Reihengrab. Dies
scheint nur auf den ersten Blick gerechtfertigt, berücksichtigt jedoch
keineswegs die Kosten, die der Stadt im Laufe der Ruhefrist von 30 Jahren
entstehen werden. Mit dem Verkauf einer solchen Rasenreihengrabstätte
verpflichtet sich die Stadt für die kommenden 30 Jahre zur Pflege des Rasens,
während die Pflege bei einer herkömmlichen Reihengrabstätte den Angehörigen
obliegt. Die Kosten der Rasenpflege bei einem Rasenreihengrab übersteigen im
Laufe von 30 Jahren bei Weitem die Mehreinnahmen von 333,00 € gegenüber einem
Reihengrab. Die neue Berechnungsmethodik berücksichtigt diesen Mehraufwand und
weist diesen verursachungsgerecht der Leistung Rasenreihengrabstätten zu.
- Soziale
Aspekte, wie z.B. die bewusste Vergünstigung von Kinderreihengräbern, dürfen
lt. aktueller Rechtsprechung nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Gräber
werden deutlich teurer.
- Reihengräber
sind flächenmäßig nur geringfügig kleiner als Wahlgräber. Die Gebührensätze
dieser beiden Grabarten werden sich annähern, wobei Wahlgräber günstiger und
Reihengräber grundsätzlich teurer werden.
- Beisetzungen
von Urnen sind tendenziell günstiger als Körperbestattungen, da weniger
Erdaushub getätigt und weniger Maschinen (z.B. kein Sargversenkungsapparat) zum
Einsatz kommen müssen. Weiterhin können Urnen von einem Mitarbeiter der
Friedhofskolonne beigesetzt werden, während die Bestattung von Särgen zwei
Mitarbeiter der Friedhofskolonne erfordert.
Satzung und Beschlussempfehlung
Aufgrund der
neuen Gebührenkalkulation wird vorgeschlagen, die als Anlage zur Einladung des
Haupt- und Finanzausschusses beigefügte Neufassung der Friedhofsgebührensatzung
mit Wirkung zum 01.01.2013 zu beschließen.