Betreff
Unterbringung von Flüchtlingen, Bericht und Beschlussfassung über die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft
Vorlage
354/2015
Art
Vorlage

Beschlussvorschlag:

 

Die Verwaltung wird mit der Planung für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften für mindestens 200 Personen in modularer Bauweise am Standort „An der Friedensburg“ beauftragt.


I. Die Entwicklung der Flüchtlingssituation

 

Die Entwicklung der Flüchtlingssituation ist aus den Medien hinreichend bekannt. Die Prognosen der in die Bundesrepublik einreisenden Flüchtlinge werden laufend nach oben korrigiert. Dies hat zur Folge, dass die der Stadt Geilenkirchen zugewiesenen Flüchtlingszahlen ebenfalls weiterhin ungemindert ansteigen werden. Derzeit werden von der Stadt Geilenkirchen insgesamt 283 Flüchtlinge (Stand: 22.09.2015) betreut und versorgt. Bis zum Jahresende wird die Zahl voraussichtlich auf ca. 500 ansteigen.

 

Für die Versorgung mit Wohnraum verfolgte die Stadt bislang bekanntlich das Konzept der dezentralen Unterbringung. Hierfür unterhält die Stadt derzeit insgesamt 20 Wohneinheiten, davon 7 städtische und 13, die sich im Privatbesitz befinden und von der Stadt zu den marktüblichen Konditionen angemietet sind. Darüber hinaus werden derzeit 17 Wohneinheiten in der Fliegerhorstsiedlung Teveren in Anspruch genommen, die von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mietzinsfrei zur Verfügung gestellt werden.

 

Da der private und verfügbare Wohnungsmarkt in absehbarer Zeit erschöpft sein wird, besteht für die Stadt nur noch die Möglichkeit, neue Wohnkapazitäten zu schaffen. Dies ist in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen nur in der Form einer zentralen neu zu errichtenden Wohnanlage zu realisieren und würde insoweit auch eine teilweise Abkehr von dem Konzept der dezentralen Unterbringung bedeuten.

 

Zwischenzeitlich wurde der Verwaltung im Bereich des Gewerbegebietes Selka ein zum Bürogebäude umfunktioniertes ehemaliges Mannschaftsgebäude zum Kauf angeboten, das Platz für die Unterbringung von ca. 50 bis 60 Flüchtlingen bieten würde. Außerdem besteht die Möglichkeit, einen Teil einer Wohnanlage mit 10 Wohnungen im Stadtteil Lindern anzumieten.

 

II. Standortsuche für den Neubau einer städtischen Flüchtlingsunterkunft

 

Um zwischen potentiellen Standorten für eine neu zu errichtende und zeitnah bereitzustellende Flüchtlingsunterkunft eine Auswahl treffen zu können, wurde in folgender Weise vorgegangen:

 

Zunächst wurden Randbedingungen definiert, anhand derer grundsätzlich geeignete Standorte identifiziert werden können. Diese Randbedingungen ergeben sich insbesondere aus den zu verwirklichenden baulichen Anforderungen und dem damit verbundenen Flächenbedarf und den planungs- und baurechtlichen Vorgaben. Weiterhin ist die kurzfristige Verfügbarkeit eines potentiellen Standortes von entscheidender Bedeutung.

 

Aufgrund der gegebenen Bedarfseinschätzung wird eine zentrale städtische Unterkunft mit über 200 Plätzen benötigt. Der Bautyp sollte aufgrund der Erfahrungen mit bestehenden Unterkünften aus kleinen Wohneinheiten mit 4 bis 6 Plätzen bestehen, die aus zwei Zimmern mit Kochzeile und Bad bestehen. In solchen Einheiten wären entweder Familien oder auch nach Geschlechtern getrennte Kleingruppen von Einzelbewohnern gut unterzubringen. Um einen solchen Wohnungstyp in wirtschaftlicher Bauweise bereitzustellen, ergibt sich als Gebäude im Wesentlichen ein Mehrfamilienhaus mit mehreren Wohneinheiten je Geschoss und gemeinschaftlichen Neben- und Erschließungsflächen. Für die Standortsuche wird von etwa dreigeschossigen Gebäuden ausgegangen, da höhere Objekte an den meisten Standorten der Stadt unverträglich wären und auch größeren technischen Aufwand zur Folge hätten (Brandschutzanforderungen, ggf. Aufzug). Beim Flächenbedarf sind auch Nebenflächen für Lager, Hausmeisterraum und Betreuerbüro zu berücksichtigen. Somit werden für die angesetzte Zahl unterzubringender Personen bis zu drei dreigeschossige Objekte erforderlich und es ergibt sich eine notwendige Grundstücksgröße für den Standort von voraussichtlich mindestens 2.000 m².

 

Planungs- und baurechtlich wurden durch den Gesetzgeber bereits einige Erleichterungen für die Erstellung von Flüchtlingsunterkünften vorgenommen. So hat der Bund klargestellt, dass die Unterbringung von Flüchtlingen zu den Belangen des Allgemeinwohls gehört, die eine Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplans ermöglichen. Befristet bis zum 31.12.2019 wurden außerdem die folgenden gesetzlichen Regelungen getroffen:

 

-     Flüchtlingsunterkünfte können unter bestimmten Voraussetzungen auch dann im unbeplanten Innenbereich zugelassen werden, wenn sie sich nicht in die nähere Umgebung einfügen.

 

-     Die Unterbringung von Flüchtlingen kann auch auf Flächen im Außenbereich gestattet werden, die unmittelbar an einen bebauten Ortsteil anschließen.

 

-     An geeigneten Stellen in Gewerbegebieten werden Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für die Unterbringung von Asylbegehrenden oder Flüchtlingen im Wege der Befreiung ermöglicht. Voraussetzung dafür ist, dass an den entsprechenden Standorten Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und dass das Vorhaben auch unter Berücksichtigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist.

 

Evtl. sind noch weitere Erleichterungen zu erwarten, da der Bund angekündigt hat, in einem Beschleunigungsgesetz für einen befristeten Zeitraum für die Bewältigung der aktuellen Asyl- und Flüchtlingssituation die Abweichung von geltenden Regelungen oder Standards beim Bau von Unterkünften zuzulassen.

 

Grundsätzlich sind Unterkünfte aber wie Wohnnutzungen zu bewerten, wenn sie wie im gegebenen Fall dauerhaft (d. h. mehr als sechs Monate) betrieben werden sollen. Geeignete Standorte sind also in Wohn- und Mischgebieten und, wie vorstehend erläutert, in bestimmten Ausnahmefällen auch in Gewerbegebieten oder im Außenbereich zu finden. Eine bauplanungsrechtliche Voreinschätzung wurde durch die Verwaltung für potentielle Standorte vorgenommen. Diese wurden weiter betrachtet, soweit sie vorläufig als nutzbar angesehen werden können. Eine endgültige Klärung muss noch über eine Einzelfallprüfung bzw. letztlich im Baugenehmigungsverfahren erfolgen.

 

Da es für eine zeitnahe Bereitstellung der dringend benötigten Unterkünfte auf eine sofortige Verfügbarkeit des Standorts ankommt, wurden nur die bereits in städtischem Eigentum stehenden Flächen untersucht sowie solche, die unverzüglich erworben werden könnten.

 

Nachdem somit Flächen in ausreichender Größe mit voraussichtlicher planungsrechtlicher Eignung und sofortiger Verfügbarkeit identifiziert wurden, war im nächsten Schritt anhand der Bewertung städtebaulicher und sonstiger Kriterien eine Priorisierung erforderlich. Bei dieser qualitativen Bewertung wurden die Erreichbarkeit und Eignung eines Standortes für die späteren Nutzer, die Sozialverträglichkeit der Nutzung im gegebenen Umfeld sowie sonstige Kriterien, wie z. B. eine spätere Nachnutzungsmöglichkeit, betrachtet.

 

Das Ergebnis der Standortsuche ist tabellarisch in der Anlage 1 dargestellt. Weitere Erläuterungen zu den qualitativen Bewertungen können in der Sitzung vorgetragen werden. Die Verwaltung spricht sich im Ergebnis für den Neubau einer zentralen Flüchtlingsunterkunft als Neu- und Ersatzbau am Standort der bisherigen Containeranlage „An der Friedensburg“ aus.

 

III. Erste Überlegungen für den Neubau einer städtischen Flüchtlingsunterkunft

 

Auf Grundlage der vorstehend beschriebenen Vorgaben ist für den Neubau einer städtischen Flüchtlingsunterkunft eine geeignete Lösung zu entwickeln. Aufgrund des engen Zeitrahmens und des großen Handlungsbedarfes hat die Verwaltung hierzu bereits Kontakt mit dem Architekturbüro Stefelmanns aufgenommen und erste Überlegungen angestellt.

 

Dabei war insbesondere zu klären, wie die Nutzungsanforderungen in geeigneter Weise baulich umgesetzt werden können und welcher Kostenrahmen sich damit ergibt. Eine gute Wirtschaftlichkeit der Lösung muss schon aufgrund der gegebenen Haushaltslage angestrebt werden. Außerdem sollte möglichst noch im Rahmen der weiteren Konkretisierung der Planung ein gewisser Anpassungsspielraum hinsichtlich des Standortes und der Zahl der bereitzustellenden Plätze verbleiben. Weiterhin spielten auch Überlegungen zur späteren Nachnutzung und Anpassung von Gebäuden eine wesentliche Rolle.

 

Vorgeschlagen wird daher ein modulares Konzept, dessen standardisierte Bauelemente in verschiedener Weise genutzt werden können. Aufgrund der Vorteile bei der Bauzeit wird eine Systembauweise favorisiert. Die relativ kleinen Module werden etagenweise zu Gruppen von vier bis fünf Einheiten um eine einfach gehaltene, aber angemessen große Gemeinschaftsfläche angeordnet. Ein Gebäude mit drei Vollgeschossen kann so bis zu 75 Plätze bieten. Aus wirtschaftlichen Gründen soll auf einen Keller möglichst verzichtet werden. Technische Einrichtungen und Lager würden, ggf. gemeinsam für mehrere Gebäude, in einfachen Nebengebäuden (Typ „Fertigteilgarage“) untergebracht.

 

In den Anlagen 2 bis 4 werden erste Planskizzen zu diesem Konzept vorgestellt, die in der Sitzung näher erläutert werden sollen. Die Baukosten für drei dreigeschossige Gebäude werden auf netto 3 Mio. Euro geschätzt. Einschließlich Planungs- und Baunebenkosten sowie Mehrwertsteuer ergibt sich für die Haushaltsplanung ein voraussichtlicher Investitionsbedarf von rund 4 Mio. Euro. Die Umsetzung der Maßnahme soll innerhalb von 12 Monaten erfolgen. Diese sehr anspruchsvolle Zeitvorgabe ist nur einzuhalten, wenn die konkrete Planung unverzüglich beginnt und haushalts- und vergaberechtliche Erleichterungen in Anspruch genommen werden können, wie sie der gemeinsame Runderlass von Finanz-, Innen- und Bauministerium NRW vom 06.08.2015 über die Beschaffung von Leistungen zum Zweck der Unterbringung von Flüchtlingen vorsieht.


Anlagen: