Betreff
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Berichterstattung zum Thema PFAS-Belastung des Grundwassers vom Nato-Flugplatz Geilenkirchen"
Vorlage
2792/2023
Art
Anträge

Sachverhalt:

 

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben beantragt, den Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung zu setzen. Der Antrag ist dieser Vorlage als Anlage beigefügt.

 

 

I.

Anfang des Jahres 2020 wurden bei den routinemäßigen Rohwasseruntersuchungen im Verbandswasserwerk Gangelt erstmalig Belastungen mit PFAS (englische Abkürzung für Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) im Grundwasser festgestellt. Das Vorhandensein von PFAS-Verbindungen im Rohwasser wird durch das Verbandswasserwerk routinemäßig seit 2016 untersucht.

PFAS (je nach Stoffgruppe auch unter der Bezeichnung PFC oder PFT geführt) sind synthetisch hergestellte organische Stoffe, die in der Natur nicht vorkommen und die biologisch nicht abbaubar sind. Diese Stoffgruppe umfasst mehrere tausend verschiedene Einzelsubstanzen. Wegen ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften finden sie weltweit Anwendung in einer Vielzahl von Produkten wie Löschmittel, Netzmittel Galvanik, Papierbeschichtungen, Wachse/Schmiermittel (z. B. Skiwachse), Baustoffen (z. B. Wetterschutzfarben und -lacke zum Schutz vor Verschmutzung von Häuserfassaden), aber auch Hautcremes/Kosmetika, Lebensmittelverpackungen, Outdoorbekleidungen u.v.m. PFAS können auf verschiedenen Wegen in die Umwelt gelangen und sind mittlerweile überall in der Umwelt, d. h. in Böden, Wasser, Luft, Tieren und Menschen nachweisbar. PFAS sind als Schadstoffgruppe noch nicht abschließend erforscht. Infolgedessen gibt es bislang keine festgeschriebenen Grenzwerte, weder in der Trinkwasserverordnung noch in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung.

Weitere Infos zur Herkunft und Wirkung der Stoffe ergeben sich aus der beigefügten FAQ-Liste (Quelle: Serviceportal des Kreises Heinsberg).

 

II.

Als Sofortmaßnahme nach der erstmaligen Feststellung von PFAS wurde der Förderbrunnen mit der höchsten PFAS-Konzentration außer Betrieb genommen. In der Folgezeit konnte dieser nach dem Einbau entsprechender Aktivkohlefilter wieder in Betrieb genommen werden. Dieser Förderbrunnen wird aktuell nur noch kurzzeitig bei Hochlastphasen genutzt, um die Standzeiten der Aktivkohlefilter nicht unnötig zu verkürzen. Die Qualität des Trinkwassers war und ist zu jeder Zeit unbedenklich gewesen.

Würde man die Werte der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie vom 16.12.2020 zugrunde legen, wären im Rohwasser Grenzwerte in Bezug auf die PFAS-Belastung erreicht bzw. überschritten. Diese Richtlinie ist am 12.01.2021 in Kraft getreten, bisher aber noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden. Hierzu ist noch eine umfassende Novelle der deutschen Trinkwasserverordnung unter Federführung des Bundesgesundheitsministeriums erforderlich. Die seitens des Verbandswasserwerks Gangelt ergriffenen Maßnahmen haben sich jedoch von Anfang an an den zukünftig zu erwartenden Grenzwerten orientiert. Diese Grenzwerte wurden und werden eingehalten, sodass die Qualität der Trinkwasserversorgung durch das Verbandswasserwerk Gangelt zu keinem Zeitpunkt gefährdet war.

 

III.

Das Flughafengelände steht im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Nutzer des Standorts ist das NATO-Headquarter „NATO-Flugplatz Geilenkirchen". Verwaltet wird das Gelände vom Bundeswehrdienstleistungszentrum in Aachen, welches auch für die dortige Altlastenbearbeitung zuständig ist. Das Amt für Umwelt und Verkehrsplanung des Kreises Heinsberg ist als zuständige untere Bodenschutz- und Wasserbehörde beteiligt.

Die Ermittlung der Schadensursache, d. h. aus welchem räumlichen Bereich der PFAS-Eintrag stammen könnte, erfolgte und erfolgt in Zusammenarbeit zwischen der Kreisverwaltung Heinsberg, der Verbandswasserwerk Gangelt GmbH, der Bundeswehrverwaltung sowie der NATO am Flugplatz Teveren. Die Fachbehörden des Landes und das Umweltministerium sind ebenfalls eingebunden. Der erste Verdacht, dass der Eintrag aus dem Bereich des Flugplatzes stammen könnte, ergab sich aufgrund der Strömungsrichtung des Grundwassers und der gegebenen hydrogeologischen Situation sehr schnell.

Die Gesamtfläche des NATO-Flugplatzes beträgt ca. 620 ha. Dies entspricht ungefähr der Größe von 930 Fußballfeldern. Es wurde für diese Fläche zunächst eine historische Recherche durchgeführt, um potentielle Belastungsstandorte zu ermitteln. Diese wurden dann durch Bohrungen, Probenahme und Analytik vor Ort sowohl in der Fläche als auch in der Tiefe näher untersucht. Die vor Ort gegebene komplexe geohydrologische Situation wird durch hinzugezogene Fachleute untersucht und bewertet. Grundsätzlich ist die Fließrichtung des Grundwassers vom Flugplatz kommend nach Norden gerichtet. Somit liegen die Ortslagen Stahe und Niederbusch unmittelbar im Grundwasserabstrom (vgl. beigefügten Lageplan).

Außerhalb der militärischen Liegenschaft wurden die Untersuchungen durch den Kreis Heinsberg durchgeführt. Hierüber wurde die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten Niederbusch, Stahe und im westlichen Bereich Gillrath im April 2021 ausführlich durch Hauswurfsendungen informiert und Hausbrunnen zur Probenahme ermittelt. Anschließend mussten finanzielle Mittel generiert und Ausschreibungsverfahren für die umfangreichen Untersuchungen durchgeführt werden. Die Verifizierung der Untersuchungsergebnisse erfolgte zudem in insgesamt drei Kampagnen unter Beteiligung der Bewohner von Stahe, Niederbusch und Gillrath.

Auch auf dem Stadtgebiet Geilenkirchen in Gillrath wurden Brunnenproben gezogen, die die Werte im Bereich PFAS jedoch nicht überschritten haben.

Die Schadensermittlung hat den Verdacht verifiziert, dass die PFAS-Belastungen des Grundwassers vom NATO-Flughafen ausgehen. Als Auslöser wurde u. a. ein ehemaliges Feuerlöschübungsbecken vermutet. Dieser Verdacht wurde mittlerweile durch weitere Boden- und Grundwasseruntersuchungen bestätigt. An diesem Feuerlöschübungsbecken werden zurzeit Sanierungsbrunnen errichtet, die das abströmende Grundwasser in diesem Bereich mittels Aktivkohleanlage reinigen. Die Fertigstellung der Sanierungsbrunnen ist für Ende 2023 avisiert.

Die mit der Untersuchung beauftragten Sachverständigen ermitteln derzeit weitere Daten. Es steht derzeit auch die Aussage im Raum, dass über weitere Flächen im Bereich des NATO-Geländes Einträge von PFAS erfolgt sein könnten. Nach Auswertung der Ergebnisse aller Untersuchungsphasen wird die weitere Sanierungsplanung beauftragt werden. Diese Sanierungsschritte können zeitlich noch nicht vorhergesagt werden. Aktuell sind alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet worden, um eine Gefahr für das Wasser und den Menschen abzuwehren.

 

IV.

Die vorgefundenen Belastungen im Grundwasser in Stahe und Niederbusch führten seitens des Kreises Heinsberg als Unterer Wasserbehörde zu der Entscheidung, hier in Bezug auf die privaten Brunnenanlagen eine Untersagung der erlaubnisfreien Benutzung von Grundwasser zum 01. April 2023 zu erlassen.

Aufgrund der im Rahmen von Beprobungen festgestellten Überschreitungen des zukünftigen Trinkwassergrenzwertes für die Summe PFAS-20 von 0,1 µg/l haben sich die Ergebnisse verifiziert und das Grundwasser – als unaufbereitetes Rohwasser - ist als belastet einzustufen. Es ist daher als Trink- oder Tränkewasser nicht geeignet. Als Brauchwasser, z. B. Beregnungswasser für Nutzpflanzen, sollte es ebenfalls nicht genutzt werden, da zurzeit nicht genügend Untersuchungen zur Aufnahme von PFAS in Nutzpflanzen vorliegen und somit keine abschließende humantoxikologische Einschätzung über die Qualität der Lebensmittel abgegeben werden kann. Aus Vorsorgegründen wurden daher der Verzehr von Nutzpflanzen sowie ein weiteres Bewässern der Pflanzen (Nutz- und Zierpflanzen) in dem durch die Allgemeinverfügung festgelegten Bereich unterbunden. Die entsprechende Allgemeinverfügung ist dieser Vorlage als Anlage beigefügt.   

Die seinerzeit im Rahmen der 2. Kampagne beprobten Brunnen in der Ortslage Gillrath zeigten keine relevanten Belastungen. Daher ist dieser Bereich auch nicht von der Allgemeinverfügung des Kreises betroffen.

Die ebenfalls im Jahr 2021 mehrfach beprobten landwirtschaftlichen Beregnungsbrunnen nördlich der Ortslagen zeigten nur verschwindend geringe Belastungen, welche ebenfalls keine Maßnahmen begründeten.

Zur weiteren Verifizierung der Analyseergebnisse wurden seitens des Kreises Heinsberg im März 2023 erneut entsprechende Brunnen beprobt. Die Ergebnisse der dritten Kampagne bestätigen die Werte der ersten und zweiten Kampagne.

 

V.

Nach diversen Besprechungen zwischen Vertretern des Verbandswasserwerks Gangelt, der NATO, der Bezirksregierung Köln, dem Kreis Heinsberg sowie der Gemeinde Gangelt und der Stadt Geilenkirchen wurde der Schaden offiziell gegenüber der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als zuständige Schadensregulierungsstelle des Bundes in Koblenz angezeigt und Schadensersatzansprüche dem Grunde nach geltend gemacht. Seitens der BImA wurde daraufhin die Anerkennung des Schadens mittels einer sog. Entschließung abgelehnt. Da hierdurch eine Frist zur gerichtlichen Geltendmachung in Gang gesetzt wurde, musste seitens des Verbandswasserwerks ein gerichtliches Verfahren beim Landgericht Koblenz als örtlich zuständigem Gericht eingeleitet werden. Dieses Verfahren ruht derzeit, da beide Parteien grundsätzlich weiterhin zu einer außergerichtlichen Einigung in Bezug auf die Regulierung des dem Verbandswasserwerk entstandenen Schadens bereit sind.

Am 12.05.2021 hat der Kreis Heinsberg Klage beim Landgericht Aachen gegen die Schadensregulierungsstelle des Bundes erhoben. Es wurde beantragt, festzustellen, dass die Beklagte für die NATO-Entsendestaaten, denen die Leistung obliegt, verpflichtet ist, dem Kreis Entschädigung für Maßnahmen, Aufwendungen und Schäden, die diesem aufgrund der vom NATO-Headquarter ausgehenden PFAS-Belastungen des Bodens und Grundwassers entstehen, zu leisten. Mit Urteil vom 12.07.2022 hat das Landgericht dem Antrag des Kreises Heinsberg stattgegeben.

 

Gegen dieses Urteil wurde inzwischen Berufung eingelegt.