Betreff
Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 112 der Stadt Geilenkirchen (Lindern - „Juliane-Hilgers-Straße“) hinsichtlich der Überschreitung der im B-Plan festgesetzten Traufhöhe in Rücksprüngen
Vorlage
1698/2019
Aktenzeichen
472/19
Art
Vorlage

Beschlussvorschlag:

 

Die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 112 der Stadt Geilenkirchen hinsichtlich der Überschreitung der Traufhöhen in den Rücksprüngen wird antragsgemäß erteilt.


Sachverhalt:

 

 

  1. Sachverhaltsdarstellung:

 

Der Antragsteller beabsichtigt auf dem Grundstück Gemarkung Lindern, Flur 3, Flurstück 550 an der „Juliane-Hilgers-Straße“ in Lindern ein  Einfamilienhaus mit Doppelgarage zu errichten. Das geplante Gebäude hat aus architektonischen Gründen an der Südseite mehrere Traufhöhen. Die vordere Traufhöhe (Südseite zur Juliane-Hilgers-Straße hin) hält die angegebene maximale Traufhöhe gemäß Bebauungsplan ein (5,0 m). Die Dachfläche läuft gleichmäßig zum First. Da die südliche Hausseite jedoch zwei Rücksprünge in der zum südlichen Nachbarn zugewandten Seite hat, rückt im Bereich dieser Rücksprünge die Traufe auf 6,40 m hoch und überschreitet die festgesetzte Traufhöhe gemäß Bebauungsplan um 1,40 m.

 

 

  1. Beurteilung der Zulässigkeit:

 

Das betroffene Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 112. Im Bebauungsplan ist eine Traufhöhe von 5,0 m festgesetzt. Der Bebauungsplan lässt allerdings auch eine Ausnahme hiervon zu, um den sogenannten „Toskana-Stil“ (Stadtvilla) zu ermöglichen. Gemäß Festsetzung 7 („Ausnahmeregelung“) des Bebauungsplanes, darf die festgesetzte Traufhöhe um 2,0 m überschritten werden, wenn:

 

  • das Gebäude als Einzelhaus errichtet wird
  • die Seitenwände einen Abstand zu seitlichen Grundstücksgrenzen von 4,0 m einhalten,
  • die maximale Firsthöhe (9,5 m) um mindestens 0,5 m unterschritten wird.

 

Gemäß Festsetzung 8.1 („Dachform“) sind bei Gebäuden gemäß Ausnahmeregelung nur Dachflächen mit einer Neigung bis maximal 25° zulässig und das Dach darf zudem nicht als Satteldach ausgeführt werden. Hierdurch wird erreicht, dass auf einem zweigeschossigen Gebäude keine zusätzliche Giebelwand entsteht, wovon eine erdrückende Wirkung ausgehen könnte. Außerdem wird durch diese Festsetzung sichergestellt, dass sich die entstehenden Gebäude von ihrer Kubatur her in das vorhandene Ortsbild einfügen.

 

Im vorliegenden Fall ist es fraglich, ob die geplante Überschreitung der Traufhöhe in den Rücksprüngen der südlichen Außenwände im Rahmen der Ausnahmeregelung zulässig ist.

 

Bei dem geplanten Vorhaben des Antragstellers wird das Gebäude als Einzelhaus errichtet. Ebenso wird ein erhöhter Abstand von mindestens 4,0 m der Seitenwände zu den seitlichen Grundstücksgrenzen eingehalten und die maximale Firsthöhe (8,55 m über Bezugspunkt) um 0,95 m unterschritten. Allerdings geht von der gewählten Dachform (zwei entgegengesetzte Pultdächer) eine Wirkung wie von einem Satteldach aus, da es sich um zwei gegenläufige Dachflächen handelt, die sich in der Achse des Firstes treffen (wenn sie auch in ihrer Höhenlage unterschiedlich sind) und an zwei Hausseiten (hier Vorder- und Rückseite) eine Giebelwand entsteht. Um diese Wirkung zu bestätigen, wurde eine geringe Höhe zwischen den Oberkanten der Dachhaut von unter 1,50 m gewählt. Im vorliegenden Fall hat die entstehende sichtbare vertikale Fläche zwischen den Firsten eine Höhe von 1,08 m und verfügt über die gleiche Breite wie die untere Dachfläche. Die entstehende Fläche soll mit den gleichen Dachmaterialien wie an Ortgang und Traufe gestaltet werden und somit die Zugehörigkeit zum Dach unterstützen.

 

Da es sich somit bei der vorliegenden Dachform, wie zuvor beschrieben, um ein Satteldach handelt, greift die Ausnahmeregelung bei dem geplanten Vorhaben nicht und es bedarf einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 112 hinsichtlich der festgesetzten Traufhöhe.

 

Zu prüfen ist, ob das geplante Vorhaben zulässig ist, sofern die Befreiung zur Überschreitung der festgesetzten Traufhöhe erteilt würde. Dies wäre nicht der Fall, wenn das Vorhaben gegen eine weitere Festsetzung des Bebauungsplanes verstößt.

Die Festsetzung 8 regelt im Bebauungsplan die „örtlichen Bauvorschriften“ gemäß § 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 86 BauO NRW. Festsetzung 8.1 „Dachform“ besagt, dass Dächer baulicher Anlagen (ausgenommen sind Garagen und Nebenanlagen) mit einer Dachneigung von mindestens 30° auszuführen sind.

Bei dem geplanten Vorhaben handelt es sich um ein Satteldach mit zwei Dachneigungen von 24° und 26° geplant. Dies liegt 4° bzw. 6° unter der geforderten Mindestdachneigung von 30°. Um diese Abweichung zu legalisieren, bedarf es somit der Zulassung einer Abweichung von den örtlichen Bauvorschriften gemäß § 69 BauO NRW. Die Entscheidung über die Abweichung von örtlichen Bauvorschriften trifft der Bürgermeister als Untere Bauaufsichtsbehörde. Eine Entscheidung des Rates ist in dieser Hinsicht somit nicht erforderlich.

 

Zwischenergebnis:

Die Bauaufsichtsbehörde ist gewillt, dem Antrag auf Abweichung von den örtlichen Bauvorschriften stattzugeben. Das geplante Vorhaben erlangt demnach seine Zulässigkeit, wenn eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Traufhöhe erteilt wird.

 

 

  1. Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB:

 

Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes kann nur erteilt werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB) und sie unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

 

3.1 Grundzüge der Planung

 

Grundzug der Planung ist die Realisierung von Wohnbebauung. Durch das Baugebiet soll die Nachfrage nach Bauflächen für den Eigenheimbau insbesondere für Familien mit Kindern befriedigt und die Eigentumsbildung unterstützt werden. Die Grundkonzeption des Bebauungsplans wird durch das geplante Vorhaben nicht verändert, da weder der Gebietscharakter noch die Art der baulichen Nutzung den Grundzügen der Planung widersprechen.

 

Zwischenergebnis:

Die Grundzüge der Planung werden nicht berührt.

 

3.2 Städtebauliche Vertretbarkeit

 

Die Voraussetzungen zur Anwendung der im Bebauungsplan enthaltene Ausnahmeregelung liegen zwar nicht vor, aus ihr kann jedoch hergeleitet werden, dass die Errichtung von Häusern mit einer erhöhten Traufhöhe (zwischen 5,0 m und 7,0 m) sowie flach geneigten Dächern im Baugebiet grundsätzlich nicht unerwünscht ist.

 

Die angestrebte Überschreitung der Traufhöhe  um 1,40 m ist vergleichbar geringfügig und nicht unverhältnismäßig, da sie das Höchstmaß gemäß Ausnahmeregelung nicht überschreitet.

Die Überschreitung ist zudem städtebaulich vertretbar, da sie in ähnlicher Form auch Inhalt der Planung hätte sein können, ohne die harmonische Struktur des Baugebietes oder die Absichten des Plangebers nachteilig zu beeinflussen.

 

Zwischenergebnis:

Die Befreiung ist städtebaulich vertretbar.

 

3.3 Wahrung nachbarlicher Interessen und öffentlicher Belange

 

Von Bedeutung ist, dass durch die geplante Überschreitung der Traufhöhe keine Beeinträchtigung der Angrenzer hervorgerufen wird.

 

Bei dem betroffenen Grundstück handelt es sich um ein Grundstück mit zwei direkten Angrenzern. Es ist nicht ersichtlich, dass durch die Realisierung des geplanten Bauvorhabens nachbarliche Interessen oder öffentliche Belange beeinträchtigt würden.

Insbesondere hält das geplante Gebäude sich an die durch Baugrenzen festgesetzte überbaubare Fläche, steht in seiner Volumen- und Höhenentwicklung hinter den laut B-Plan möglichen „Toskana-Stil-Gebäuden“ (sog. „Stadtvillen“) zurück und hält darüber hinaus zu den seitlichen Grundstücksgrenzen einen Abstand von 4 m ein, damit einen Meter mehr als bauordnungsrechtlich erforderlich.

 

Zwischenergebnis:

Die Befreiung ist unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar.

 

  1. Ergebnis

 

Die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 112 („Juliane-Hilgers-Straße“ – Lindern) liegen vor.